Vom globalen Kohlenstoffbudget zum Kohlenstoffhaushalt der Tropen
„Auf Änderungen der Bodenfeuchtigkeit reagieren die tropischen Regenwälder sehr empfindlich“, sagt Martin Heimann. Denn bei größerer Trockenheit fahren Pflanzen ihre Fotosynthese zurück und bauen weniger Biomasse auf. Ihre Atmung und die Abbauprozesse im Boden werden durch eine Abnahme der Bodenfeuchtigkeit dagegen weniger beeinträchtigt. Zudem kommt es während zunehmender Dürreperioden häufiger zu Bränden, bei denen die Wälder als Treibhausgas verschwinden. Alles in allem entweicht in den Tropen so mehr Kohlendioxid, wenn aus den Böden mit steigender Temperatur mehr Wasser verdunstet.
Nachzuweisen, dass sich die Kohlenstoffbilanz der Tropen von Jahr zu Jahr mit steigender Temperatur immer stärker verändert und die Menge des umgesetzten Kohlendioxids mithin überproportional steigt, ist schwierig: „Für die letzten 50 Jahre verfügen wir nur über Daten zum globalen Kohlenstoffbudget“, erklärt Martin Heimann. Diese stammen von Messungen auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii, wo der Kohlendioxidgehalt der Luft nicht von lokalen menschlichen Aktivitäten oder von Vegetation beeinflusst wird. Die dortigen Messwerte geben also sehr gut den durchschnittlichen Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre wieder. Gleiches gilt für Daten, die vom Südpol stammen. Beide Datensätze zeigen, dass der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre in den vergangenen 50 Jahren deutlich gestiegen ist. Sie zeigen aber auch, dass der Kohlendioxidgehalt nicht kontinuierlich zunimmt, sondern die Rate von Jahr zu Jahr schwankt.
Um vom globalen Kohlenstoffbudget auf Veränderungen im Kohlenstoffhaushalt der Tropen zu schließen, bedarf es ausgeklügelter Mathematik. „Wir haben anhand aufwendiger mathematischer Analysen einen klaren Zusammenhang zwischen den Temperaturschwankungen in den Tropen und der Variabilität des globalen Kohlenstoffbudgets von Jahr zu Jahr nachgewiesen“, sagt Martin Heimann. Im Prinzip testen die Forscher dabei, welche möglichen Einflussfaktoren über die Jahre hinweg einer ähnlichen Zickzack-Bewegung folgen wie die Kohlendioxiddaten. So erkannten sie, dass nur die Temperatur in den Tropen das Auf und Ab mitmacht.
Mit genaueren Daten könnten Klimamodelle Rückkopplungen besser erfassen
Die Erkenntnisse der Kollaboration zur Rückkopplung zwischen den kurzfristigen Schwankungen im globalen Kohlenstoffbudget und den tropischen Temperaturveränderungen werden zu einer Hausaufgabe für die Forscher, die das Klima mit Modellrechnungen simulieren. Denn derzeit gibt kaum ein Modell diesen Zusammenhang wieder. „Es ist also fraglich, ob die Modelle andere Rückkopplungen zwischen Klimawandel und Kohlenstoffhaushalt richtig erfassen“, sagt Martin Heimann. Seine Kollegen müssen ihre Modelle also so erweitern, dass diese Rückkopplungen berücksichtigen; die jetzt beobachteten Änderungen der Sensitivität der tropischen Kohlenstoffbilanz könnten da zum Testfall werden. Martin Heimann weist allerdings daraufhin, dass die Modelle vor allem langfristige Entwicklungen korrekt berechnen sollen. Und genau zu diesen gehörten viele der Rückkopplungen, die bei der Entwicklung des Klimas in den kommenden Jahrzehnten entscheidend mitmischen dürften.
Auch für die Wissenschaftler, die sich auf das Sammeln und die Analyse von Daten verlegt haben, bleibt viel zu tun. Sie könnten den Modellierern mit genaueren Daten helfen, wie Pflanzen und ganze Ökosysteme auf den Klimawandel reagieren. „Wir brauchen Langzeitexperimente, um den Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoffhaushalt von Pflanzen und Klimaänderungen besser zu verstehen“, sagt Martin Heimann. Gefragt sind auch Messungen, wie viel Kohlendioxid tropische Wälder und andere Ökosysteme im Mittel abgeben oder aufnehmen. Daran arbeiten Martin Heimann und weitere Max-Planck-Wissenschaftler. Heimann koordiniert das ZOTTO-Projekt, bei dem die Forscher mit einem gut 300 Meter hohen Turm in der sibirischen Taiga den Kohlenstoffhaushalt borealer Wälder beobachten. Mit ATTO wollen Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie einen weiteren Turm im brasilianischen Amazonasgebiet errichten, um zu messen, wieviel Kohlendioxid der tropische Regenwald speichert oder abgibt.
Solche Messungen tragen wie die aktuellen Ergebnisse dazu bei, dass wir ein genaueres Bild von dem Klimawandel erhalten, den uns die nächsten Jahrzehnte bringen werden. Wie wir mit den Erkenntnissen umgehen, kann allerdings das beste Klimamodell nicht beeinflussen. (PH)
->Quelle: mpg.de; bgc-jena.mpg.de