„Mit den anderen europäischen Ländern sprechen“
In der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin trafen sich am 13.02.2014 400 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern zu einer Konferenz unter dem Titel Energiewende 2.0, „das wohl ehrgeizigste und größte politische Projekt der Republik,“ schrieb der Journalist Sebastian Kempkens in einer Nachbetrachtung. „Die Energiewende geht in eine neue Etappe“, konstatiert die Böll-Stiftung auf ihrer Webseite. Die Entwicklung dieses Projekts stehe an einer entscheidenden Schwelle. Seit der Bundestagswahl sei wieder Schwung in die Debatte gekommen. Die erste Phase – die Energiewende 1.0 – werde weithin als Erfolg verbucht. Hunderttausende Arbeitsplätze seien entstanden, innerhalb von zehn Jahren sei der Anteil von regenerativen Energien am Strommarkt um 20 Prozent-Punkte gestiegen.
Schnell war klar, dass Antworten auf diese Fragen viele Menschen interessieren. Die Teilnehmerlisten seien so schnell ausgebucht gewesen wie selten, sagte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Idee einer Energiewende-Konferenz habe offenbar einen gesellschaftlichen Nerv getroffen. Und das Interesse scheint breit gestreut zu sein. Neben Akteuren des politischen Betriebs und Wissenschaftlern kamen auch zahlreiche Interessierte, die nicht beruflich mit der Energiewende zu tun haben. Dass eine breite gesellschaftliche Debatte dringend nötig ist, machte Fücks in seiner Einführungsrede deutlich. Zwar sei die bisherige Energiewende ein Erfolg. Trotzdem könne es nicht einfach so weitergehen. „Wir sind in einer völlig neuen Etappe der Energiewende“, sagte Fücks. Die erneuerbaren Energien einfach möglichst schnell weiterzuentwickeln reiche nicht mehr. „Uns steht jetzt ein kompletter Umbau des Energiesystems bevor“, sagte Fücks.
„Es war so etwas wie die Pointe des Tages. Ganz zum Schluss, nach vielen Diskussionsrunden und Gesprächen, wurde noch einmal deutlich, wozu die Konferenz ‚Energiewende 2.0‘ der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin eigentlich gut war“, schrieb Kempkens und: „Draußen war es schon längst dunkel, da saß der tschechische Politikberater Jan Ondrich neben dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) auf dem Abschlusspodium. Und die beiden ergänzten sich gut: Ondrich erklärte, wie ‚the Energiewende‘ im übrigen Europa, vor allem im Osten gesehen werde, was getan werden müsse, um mehr Verständnis zu schaffen. Und Remmel mahnte immer wieder: In den vergangenen Jahren sei viel zu wenigüber ‚the Energiewende‘ geredet worden. ‚Das war ein großer Fehler, der schleunigst korrigiert werden muss‘, sagte Remmel. ‚Wir müssen mit den anderen europäischen Ländern sprechen.‘ Gut also, dass einen Tag lang 400 Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen gekommen waren, um über die Energiewende zu diskutieren, das wohl ehrgeizigste und größte politische Projekt der Republik.“
„Wie wollt ihr Deutschen das eigentlich hinkriegen?“
Versteht man die Energiewende als ein weltweites Pilotprojekt, wird deutlich, wie entscheidend Erfolg oder Misserfolg für die internationale Entwicklung sein könnten. Das bestätigte Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Er sei in seinem vorherigen Berufsleben viel gereist – und längst nicht überall werde die Energiewende so positiv gesehen wie in Deutschland. Oft sei er kritisch angesprochen worden: ‚Wie wollt ihr Deutschen das eigentlich hinkriegen ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, weil die Energie zu teuer wird?‘
Entscheidend sei es deshalb, die Kosten niedrig zu halten, sagte Baake. Dafür müssten jetzt die politischen Weichen gestellt werden. Die Zeit der Technologieförderung sei erst einmal vorbei. Windenergie und Photovoltaik hätten sich als lukrativste Technologien erwiesen. Gebraucht würden jetzt gute Speichersysteme und eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Baake zählte vier Hauptpunkte der Reform auf: ein verlässlicher Ausbaukorridor, möglichst geringe Kosten, eine gute Marktintegration der erneuerbaren Energien und eine gerechte Kostenverteilung.
Die grobe politische Agenda war damit benannt, den Redebedarf steigerte das eher noch. So forderte Klaus Töpfer, Gründungsdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam und ehemaliger CDU-Umweltminister: Baake solle bei der Energiewende nicht die klimatechnische Dimension vergessen. Ihm fehle in der Diskussion, so Töpfer, oft die Frage der CO2-Minderung.
Folgt: „Eine ungeheure Emotionalität auf der Straße“