„Eine ungeheure Emotionalität auf der Straße“
Bei den Kosten allerdings stimmte er Baake vorbehaltslos zu: „Ich will mit Preisen belegen, dass die Energiewende sinnvoll ist“, sagte Töpfer. In Afrika habe er gelernt, dass Technologien vor allem erfolgreich seien, wenn sie helfen, Armut zu überwinden. Das sei die Herausforderung: Solche Technologien zu schaffen, die gleichzeitig den ökologischen Ansprüchen genügen.
Aber: Wer erfindet die neuen Technologien und wo werden sie hergestellt? Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie zeigte sich irritiert von Baakes Bemerkung, die Zeit der Innovationen sei vorbei. „Es stimmt mich betrübt, dass bei der Photovoltaik die neuesten Innovationen aus Norwegen kommen und in Singapur gefertigt werden“, sagte Lösch. Statt nur auf Installation zu setzen dürfe Deutschland nicht aufhören, Innovationen weiter voranzutreiben.
Welche Probleme die Installation beispielsweise von Stromtrassen immer noch mit sich bringt, zeigte sich gerade erst in Bayern. Dort protestieren Bürger gegen längst beschlossene Baupläne. Und der CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer schloss sich der Bewegung kurzerhand an und kündigte an, Eckpunkte der Energiewende neu verhandeln zu wollen.
Hildegard Müller, Vorsitzende des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft, betonte deshalb, wie wichtig eine gesellschaftliche Begleitung der Energiewende sei. „Das Thema hat eine ungeheure Emotionalität auf der Straße, deshalb müssen wir möglichst viele Partner einbinden.“ Zugleich forderte die ehemalige Staatsministerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass ein Appell von der Böll-Konferenz ausgehen solle: „Wir sollten aufhören, die Wunden der Vergangenheit zu lecken. Wir sind alle aufgefordert, diese Energiewende zu einem Erfolg zu machen.
Rainer Baakes Analyse, dass die Kostenfrage die wichtigste der Energiewende sei: Sie schwebte auch hier noch durch die Räume. Tobias Goldschmidt, Stabsstellenleiter für Energiepolitik im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt in Schleswig-Holstein, relativierte die Aussage des Staatssekretärs. Es sei nicht die Aufgabe der Landesregierung, sagte Goldschmidt, zu gewährleisten, dass sich die Energieproduzenten eine goldene Nase verdienten. „Die Energiewende muss auch für andere Länder attraktiv werden, sie muss eine Vorbildfunktion haben.“ Die Kosten seien da nicht der einzige Faktor.
In eine ähnliche Richtung argumentierte Goldschmidts Mitdiskutant Patrick Graichen, Direktor bei der Denkfabrik „Agora Energiewende“. Die Kosten seien beim Netzausbau gar nicht so entscheidend: „Über die Lebensdauer der Netze gesehen ist das nicht das Problem. Ich sehe eher eine Herausforderung, was die Technik und die Akzeptanz der Leute betrifft.“
Geht es um die Akzeptanz, stellt sich natürlich die Frage: Wer bezahlt? Und wer profitiert? Letztendlich also: Wie gerecht ist die Energiewende? Darüber diskutierte eine kleine Runde rund um Anton Hofreiter, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag.
Teile der Energiewende mit Krediten zu finanzieren, ist eine Idee, die nicht erst durch die bayerische CSU-Wirtschaftsministerin Ilse Aigner in die Debatte gekommen ist. Aigners Chef Horst Seehofer hatte das brüsk abgelehnt: Es sei nicht nachhaltig, kommenden Generationen die Lasten der Energiewende aufzubürden.
Dazu sagte Hofreiter: „Stellen wir uns mal vor, ich würde in 40 Jahren leben. Und dann sagen mir die Alten: ‚Wir haben die Energiewende verzögert, weil wir sie auf Pump hätten finanzieren müssen. Dafür haben wir lieber euren Planeten zerstört.‘ Da muss ich sagen: Dieses Argument der Generationengerechtigkeit ist ein absolutes Missverständnis.“ Wichtiger als eine höhere Schuldenbelastung sei doch der Umweltschutz. Man hänge in dieser Frage zu sehr am „Fetisch Geld“, so Hofreiter.
Folgt: Bauen bei der Energiewende alle in die gleiche Richtung?