Wohin mit überschüssigem Windstrom?

Zusammenfassung

Ziel dieser Vorstudie ist es, die verschiedenen technischen Flexibilisierungsoptionen, die für einen problemorientierten Umgang mit Windstromüberschüssen in Frage kommen, zu identifizieren und anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen, wie nachhaltig bzw. robust ihr Einsatz sein wird.

Dafür wird zur besseren Einordnung der Problemstellung zunächst betrachtet, mit welchen Entwicklungspfaden für die Windenergie in Deutschland bis zum Jahr 2050 in bestehenden Studien sowie in den Szenarien für den Netzentwicklungsplan Strom 201249 gerechnet wird. Bis zum Jahr 2020 liegen die Erwartungen der betrachteten Studien relativ eng beisammen. Sie rechnen im Vergleich zum Jahr 2010 mit einem Zubau an Windenergie, der insgesamt zwischen wenigen bis gut zehn Gigawatt liegt. Nach dem Jahr 2020 weichen die Studien bezogen auf den weiteren Ausbau der Windenergie bis zum Jahr 2050 jedoch deutlich und zunehmend voneinander ab. Dies liegt maßgeblich an der unterschiedlichen Bewertung wie stark die Windenergie auf See (offshore) ausgebaut wird. Die resultierende Bandbreite im Jahr 2050 liegt zwischen etwa 55 GW gemäß dem Referenzszenario für das Energiekonzept und etwa 115 GW in zwei verschiedenen 100 %- EE-Szenarien.

Im Unterschied zu den zuvor ausgewerteten Studien erwarten die drei Szenarien innerhalb des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2012 bereits bis zum Jahr 2022 einen deutlich stärkeren Ausbau der Windenergie auf Land . Demnach liegt die insgesamt installierte Leistung je nach Szenario bei 44, 48 und 71 GW und übersteigt somit selbst mit den beiden unteren Werten die Erwartungen, die die meisten der o.g. Studien erst für das Jahr 2050 sehen. Bezogen auf den Ausbau der offshore Windenergie bis zum Jahr 2022 liegen die Annahmen der „NEP-Szenarien“ mit 10 bis 17 GW zum Teil knapp über den oberen Entwicklungspfaden der anderen betrachteten Studien. Die Annahmen innerhalb des NEP 2012 spiegeln die Änderungen der vergangenen zwei bis drei Jahre in den allgemeinen Erwartungen des zukünftigen Ausbaus erneuerbarer Energien in Deutschland wieder. Der Handlungsdruck für die rechtzeitige Lösung der damit verbundenen Herausforderungen für das Energiesystem steigt durch einen schnelleren Ausbau der Windenergie onshore .

Windstromüberschüsse

Bevor auf die Herausforderungen durch „Windstromüberschüsse“ eingegangen wird, wird dieser Begriff zunächst erläutert, da es hierzu (noch) keine einheitlichen Definitionen gibt. Dabei werden in dieser Studie zwei Arten unterschieden,

  • regionale Windstromüberschüsse, wenn vor Ort das Windstromangebot die Last übersteigt und es Netzengpässe gibt und
  • windbedingte negative Residuallasten50 wenn die Gesamte Windstromeinspeisung größer ist als die Gesamtlast.

Die regionalen Windstromüberschüsse treten bereits seit einigen Jahren vor allem im Norden Deutschlands auf, wo große installierte Windenergieleistungen auf relativ geringe Last relativ schwache Netze treffen. Zu den „Gegenmaßnahmen“ gehört dann u. a. die Reduzierung der Einspeiseleistung aus Windenergieanlagen (Abregelung) im Rahmen des EEG-Einspeisemanagements, die seit 2007 jedes Jahr stetig und zuletzt (von 2010 auf 2011 um 200 %) sehr stark zugenommen hat. Die abgeregelten Energiemengen haben zwar bisher nur einen geringen Anteil an dem insgesamt eingespeisten Windstrom. Dies kann sich jedoch schon bald ändern, wenn der Ausbau der Windenergie schneller stattfindet als der Ausbau der Stromnetze oder die Umsetzung anderer Lösungen.

Die zweite Art, die windbedingten negativen Residuallasten, spielt in Deutschland noch keine Rolle. Dies wird sich nach eigenen Berechnungen auf der Basis der Leitstudie 2010 voraussichtlich erst ab dem Jahr 2030, danach aber stark zunehmend, ändern. Bei schneller voranschreitendem Windenergieausbau, wie sie insbesondere das NEP-Szenario C vorsieht, könnten windbedingte negative Residuallasten allerdings auch schon vor dem Jahr 2030 auftreten.

In Ergänzung zur Definition und Erfassung von Windstromüberschüssen werden die bereits bestehenden sowie die absehbaren systemtechnischen Auswirkungen auf den Stromsektor dargestellt Da die Windstromüberschüsse selber nur ein Symptom des Windenergiezubaus in Relation zum Gesamtsystem darstellen, werden hohe Leistungs- bzw. Stromanteile von Windenergie als Ursache für die Auswirkungen betrachtet. Insgesamt werden die folgenden fünf zentralen Problemfelder identifiziert: Überschüsse, Gradienten, Unterversorgung, Systemstabilität im Fehlerfall und Regelleistung für Systemstabilität.

Im Hinblick auf die zuvor abgeleiteten fünf zentralen Problemfelder werden geeignete oder als geeignet angesehene Flexibilisierungsoptionen ermittelt und erläutert. Hierzu gehören zum einen sowohl Technologien als auch Betriebsstrategien und zum anderen sowohl erprobte, in Erprobung befindliche als auch (noch) unerprobte technische Lösungen. Lösungen mit Schwerpunkt Energiemarkt (z.B. Marktregeln und –design) sind dagegen nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Die Identifikation und Erläuterung der Flexibilisierungsoptionen erfolgte hauptsächlich anhand einschlägiger Literatur sowie eigenem Expertenwissen.
Folgt: Zwischenergebnis