Wiederholung von Tschernobyl droht
Vor dem Hintergrund der schwierigen Sicherheitslage in den russischen AKW bat Kuznetsov die Bundestagsabgeordneten und die Bundesregierung, Druck auf Russland auszuüben. Wenn es nicht gelinge, eine Stilllegung der alten Reaktoren zu erwirken, drohe „eine Wiederholung der Katastrophe von Tschernobyl“, warnte er.
Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen), sicherte dem früheren Atominspektor die Hilfe Deutschlands zu. Es müsse jetzt genau überlegt werden, „wie wir Unterstützung leisten können, auch für die Zivilgesellschaft vor Ort“, sagte sie. Hubertus Zdebel von der Linksfraktion sprach sich ebenfalls dafür aus, alles dafür zu tun, die „offensichtlich sehr störanfälligen Reaktoren“ abzustellen.
Kuznetsov führte weiter aus, dass auch 28 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl das Risiko einer radioaktiven Verseuchung der Umwelt nicht gebannt sei. So habe es in Russland infolge der starken Dürre in den Jahren 2010 und 2011 viele Waldbrände gegeben. Durch die Feuer sei kontaminierter Boden in weiten Teilen der Ukraine, Weißrusslands und Russlands wieder aufgewirbelt worden. Auch die Länder Westeuropas könnten so abhängig von der Windstärke und der Windrichtung wieder in den Wirkungsbereich von radioaktiven Wolken kommen, warnte der Sachverständige. Im Bereich der Dekontamination müsse daher viel mehr gemacht werden als bisher, mahnte er. Doch auch hierfür fehlten die notwendigen Mittel.
„Keine erhöhte Gefährdungslage“ ukrainischer Atomkraftwerke
Vor der öffentlichen Anhörung hatten Regierungsvertreter den Abgeordneten berichtet, dass die aktuelle Situation in der Ukraine ihren Erkenntnissen zufolge „keine erhöhte Gefährdungslage“ für die ukrainischen Atomkraftwerke erkennen lasse. Hinsichtlich des im April 2012 begonnenen Baus einer neuen Schutzhülle für Reaktor 4 des AKW Tschernobyl betonten sie, dass die bisher dafür veranschlagten Kosten in Höhe von 1,45 Milliarden Euro wohl nicht reichen würden. Unter anderem gebe es noch Schwierigkeiten bei der Stabilisierung des Grundes. Nach einem Ausschluss Russlands aus den G8 bedeute dies, dass auf G7-Staaten höhere Kosten zukommen würden.
Ex-Premier Kan: japanische Wirtschaft kommt auch ohne Atomkraft aus – Fukushima-Gau nicht beendet
Im Anschluss an die Ausführungen Vladimir Kuznetsovs berichtete der frühere japanische Premierminister Naoto Kan dem Ausschuss vom Hergang und den Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011. Kan, der zum Zeitpunkt der Katastrophe Regierungschef war, betonte, dass nach dem Unfall alle japanischen Atomanlagen stillgelegt worden seien. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix sei seitdem massiv gestiegen und es habe sich gezeigt, dass die japanische Wirtschaft auch ohne Atomkraft auskomme.
Obwohl fast 70 Prozent der Bevölkerung den Atomausstieg befürworten, setze sich die neue liberaldemokratische Regierung jedoch wieder für die Inbetriebnahme der Atomkraftwerke ein. Kan bezeichnete dies als „sehr bedauernswerte Situation“. Er wies darauf hin, dass der Unfall von Fukushima aus Sicht von Experten keineswegs beendet sei. Bis heute trete Grundwasser in das Gelände ein, ein Teil des verseuchten Wassers fließe wahrscheinlich ins Meer. (hib/JOH)
->Quelle: bundestag.de/hib