USA als Exportweltmeister i. S. Klimaskepsis

IPG: Netzwerk reaktionärer Think Tanks bestreitet klaren wissenschaftlichen Konsens über Klimawandel

von Kate Galbraith

Der Ton in den aktuellen klimapolitischen Auseinandersetzungen wird immer giftiger. Zuletzt bezeichnete Prinz Charles Klimaskeptiker als „kopflose Hühnerbrigade“, während Maurice Newman, einer der einflussreichsten Wirtschaftsberater des australischen Premierministers und Klimaskeptiker, jüngst verkündete, dass „die wissenschaftliche Illusion, die Religion hinter dem Klimakreuzzug, am zusammenbrechen“ sei.

Sicher, das alles ist ganz wunderbar für die Formulierung griffiger Überschriften. Aber bedeutsam ist, dass diese Debatte mittlerweile weltweit geführt wird und zwar insbesondere in einem großen Teil der englischsprachigen Welt. Großbritannien, Australien, und die Vereinigten Staaten ringen mit politisch einflussreichen Kräften, die den wissenschaftlichen Konsens infrage stellen, dass der Mensch signifikant zum Klimawandel beiträgt.

Diese Skepsis ist beachtenswert, denn sie verhindert das Ergreifen von geeigneten Gegenmaßnahmen. Die US-Regierung hat sich mittlerweile vollständig von der Idee des Emissionsrechtehandels verabschiedet, und befasst sich nun nur mehr mit Kraftwerksregulierungen. Australien wendet sich ebenfalls vom Emissionsrechtehandel und von Kohlendioxid-Besteuerungsplänen ab und setzt auf viel vagere Auftragsauktionen („reverse auction“). Haben die Vereinigten Staaten ihre Klimaskepsis an ihre Alliierten exportiert? Und wie können wir das wieder rückgängig machen?

Die Geburtsstunde der Klimaskeptiker

Die Vereinigten Staaten waren augenscheinlich die ersten, die die Skeptikerbewegung umarmten, und zwar im Vorfeld des Kyoto-Protokolls von 1997, das die USA niemals ratifiziert haben. Ein weites Netzwerk konservativer Think Tanks produziert Skeptiker, die wissenschaftliche Erkenntnisse über die globale Erwärmung infrage stellen. Dies wird nicht zuletzt in einem wissenschaftlichen Papier namens Kyoto besiegen aus dem Jahr 2003 nachgezeichnet. Auch der Begriff Klimaskeptiker hat um das Jahr 1992 herum Eingang in die Debatte gefunden. Dabei hat auch der politische Rechtsruck des Jahres 1994 eine Rolle gespielt, in dessen Zuge die Republikaner den US-Kongress übernahmen.

Nun ist Skepsis an sich zumindest in einigen Spielarten wissenschaftlich zu begrüßen. So versehen sich etwa europäische Wissenschaftler bisweilen bewusst mit dem Label „Skeptiker“. Ihnen scheint, dass Skepsis einfach das ist, was von ihnen erwartet wird: Die Dinge zu hinterfragen. „Vor dem Hintergrund einer sehr viel geringeren politischen Polarisierung im Vergleich zu den Vereinigten Staaten sind europäische Wissenschaftler sehr viel stärker bereit, sich als Skeptiker zu bezeichnen“, meint etwa Andreas Kraemer vom Ecologic Institute in Berlin.

Diese Skepsis hat unser Verständnis des Klimawandels verfeinert. Das ist wichtig, denn das Klima ist ein so komplexes System, dass noch immer viele Dinge unklar sind. Dennoch existiert ein wissenschaftlicher Konsens darüber, dass der Mensch eine Katastrophe heraufbeschwört, indem er das Klima verändert und erwärmt.

Doch woher stammt dann der anhaltende Glaube in einigen der am meisten entwickelten Länder der Welt, dass dies nicht der Fall ist? Klimaskeptizismus befindet sich offensichtlich auch in Großbritannien auf dem aufsteigenden Ast. Dort fand eine Umfrage des vergangenen Jahres heraus, dass sich der Anteil von Menschen, die den Klimawandel infrage stellen, seit 2005 mehr als vervierfacht hat. Heute steht er bei 19 Prozent. In Australien glaubt ein Fünftel der Menschen nicht daran, dass der Klimawandel tatsächlich passiert.

Spurensuche der Skepsis-Verbreitung

Diese Skepsis scheint ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten zu haben. „Es besteht ein klarer Konsens darüber, dass diese Klimaskepsis von den Vereinigten Staaten ausgeht“, meint Max Boykoff von der Universität Colorado. Doch Bernd Sommer von der Universität Flensburg meint, dass eher eine graduelle Diffusion stattgefunden habe. Ernsthafte Klimaskeptiker seien „Teil einer internationalen Wissensgemeinschaft. Dies bedeutet nicht, dass sie formal oder persönlich verbunden sind, aber sie besuchen dieselben Webseiten und Blogs, beziehen sich auf dieselben Studien, dieselben Daten und auf dieselben Argumente.“

Diese Skeptiker und Lobbyisten sind dabei stark und umfassend finanziert und die gemeinsame Sprache macht es einfach, skeptische Ideen zu verbreiten. Englische Sprachverbindungen und Medienpolarisierung spielen eine Rolle dabei, diesen Trend zu verbreiten. So untersuchte James Painter von der Universität Oxford im Jahr 2011 die Medienberichterstattung in Brasilien, China, Frankreich, Indien, den Vereinigten Staaten sowie im Vereinigten Königreich. Er fand heraus, dass Klimaskepsis in ihren verschiedenen Spielarten „vor allem ein angelsächsisches Phänomen“ ist. Painter weist nach, dass skeptische Positionen zum Klimawandel „weit stärker und in weit mehr Beiträgen in Australien, den USA und dem Vereinigten Königreich verbreitet sind, als in Frankreich, Norwegen und Indien.“ Bernd Sommer verweist dabei darauf, dass der Fehlschlag des Kopenhagener Klimagipfels, die Wirtschaftskrise und einige lange, besonders kalte Winter in Europa die Flammen der Skepsis weiter angefacht haben könnten.

Doch woher kommt diese englischsprachige Skepsis? Britische und amerikanische Zeitungen tendieren dazu, Entscheidungsträger weit umfassender über Klimafragen zu zitieren als Medien in anderen Ländern. Das Problem: Entscheidungsträger halten sich nicht immer an die Wissenschaft. Ein Gegenbeispiel ist Frankreich, wo „einige Beobachter argumentieren, dass Respekt vor der Wissenschaft und Wissenschaftlern in der politischen Klasse und der allgemeinen Bevölkerung weit größer ist“, meint Painter. Die Meinungseiten in britischen und amerikanischen Presseorganen räumen Skeptikern und Lobbygruppen großen medialen Raum zu. Diese Skeptiker und Lobbyisten sind dabei stark und umfassend finanziert und die gemeinsame Sprache macht es einfach, skeptische Ideen zu verbreiten.

Wachstum vor Klimaschutz

Doch das ist nicht alles. Klimaskepsis scheint in einigen fortgeschrittenen Extraktionswirtschaften oder in Ländern, die Wirtschaftswachstum dem Naturschutz vorziehen, weiter verbreitetet zu sein. Das gilt für die Vereinigten Staaten und für Australien aber auch für Polen mit seinen Hunger nach Kohle und Fracking. Und auch Großbritannien scheint in dieses Modell zu passen.

Entwicklungsländer sind hier anders: Sie sind weit weniger Klimaskeptisch – vielleicht auch, weil sie der reichen Welt den Klimawandel vorhalten können. Es ist jedoch bemerkenswert dass auch in China, einer anderen großen Extraktionswirtschaft, der Skeptizismus relativ begrenzt ist. Klima Skepsis wird dabei insbesondere in den Vereinigten Staaten nur schwer auszuschalten sein. Denn Klimaskepsis ist „made in the USA“.

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Originalartikel: Kate Galbraith:Exporting Climate SkepticismKate Galbraith ist eine amerikanische Autorin mit Sitz in San Francisco und berichtet seit Jahren für verschiedene Medien über Umwelt- und Energiethemen. Nachdem sie ihre Karriere bei der Zeitschrift The Economist startete, arbeitete sie für die New York Times und die Texas Tribune.

->Quelle(n): ipg-journal.de; foreignpolicy.com; jstor.org