Netzwerke der Zukunft
Ihm gelang es in Vorträgen und Gesprächen, mit seiner bilderreichen Sprache diese abstrakten, von der neuen Physik gespeisten Einsichten verständlich darzulegen und deren Konsequenzen für den politischen und persönlichen Alltag aufzuzeigen. Für ihn war die Zeit reif für einen gesellschaftlichen Wandel. Er selbst wollte aktiv diesen Wandel vorantreiben und gründete 1987 sein Global Challenges Network (GCN e.V.), damals ein fast unverständlicher Namen für eine Initiative. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhe und die globalen Herausforderungen waren im Kalten Krieg eingefroren.
Doch Hans-Peter Dürr war Weltenbürger und ein genauer Beobachter. „Es ist ein zunehmender Prozess der Vernetzung von Initiativen und der Kooperation zwischen ihnen zu beobachten. Was entsteht, ist ein lebendiges Netzwerk. Wichtig wird sein sein, ob es uns gelingt, eine „kritische Masse“ zu werden, um wirklich einen Prozess in Gang zu setzen und wir nicht einzelne Rufer in der Wüste bleiben. Diese Lernprozesse sind langsam, aber wir dürfen nicht die Geduld verlieren“.
Deswegen gründete er GCN. Die digitale Vernetzung nahm an Fahrt auf. Aus seiner Vision eines globalen Netzwerkes, dass sich den vielen aktuellen Herausforderungen stellt, ist heute die Internetplattform WorkNet:future entstanden – eine stetig wachsende und anschauliche Enzyklopädie von zukunftsfähigen Initiativen und deren Projekten.
Hans-Peter Dürr hat in seinen letzten Lebensjahren diese Verwirklichung seiner Vision begeistert begleitet. Weil er immer unerschütterlich daran festgehalten hat, dass es außerhalb der von Menschen behaupteten Macht und konstruierten Ordnung auf unserem Globus noch etwas anderes gibt: eine realisierbare Vision einer solidarischen, achtsamen Gesellschaft. Lokale und weltumspannende Netzwerke bilden deshalb ein spürbares Gegengewicht zu globalen Irrungen und bereiten den nachhaltigen Umbau unserer Zivilisation vor. Seine Organisation GCN wird weiter an der Sichtbarmachung des globalen Engagements arbeiten.
Ein Pionier der Zukunft ist gegangen. Die Spuren, die er gelegt hat, werden bleiben. „Wenn ich sterbe“, so sagte er kurz vor seinem Tod, „habe ich kein Bewusstsein mehr, aber das, was ich gedacht habe, ist im Hintergrund aufgehoben. Es hat sich mit dem Weltgeist vermengt, hat das Gesamte als Information beeinflusst und steckt darin.“
[note „Die Wirklichkeit wird jeden Augenblick neu geschaffen, und so bereichert jeder kreative Beitrag von uns die Wirklichkeit unserer Zukunft“, war eine der wichtigen Aussagen Dürrs. In seiner 2009 erschienenen Biografie „Warum es ums Ganze geht. Neues Denken für eine Welt im Umbruch“( oekom verlag) fasste der große Impulsgeber sein Lebenswissen zusammen und machte konkrete Handlungsvorschläge für einen gesellschaftlichen Wandel und eine neue Weltsicht. 2010 erschien das zum Besteller avancierte Werk als Sonderedition mit Film-DVD, auf der der Autor zu den großen Fragen seines Lebens Stellung bezieht. In „Das Lebende lebendiger werden lassen. Wie uns neues Denken aus der Krise führt“ (2011) reflektiert Hans-Peter Dürr die zentralen Themen, denen wir uns auf dem Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft stellen müssen: von A wie Arbeit bis Z wie Zukunft.]
->Quelle(n): Nachruf des GCN e.V; oekom.de