Versorgungssicherheit und Stromimporte
Aufgrund des Atomausstiegs sind Stromausfälle angeblich wahrscheinlicher geworden, weil Atomkraftwerke zur Deckung der Grundlast fehlen und die Stromerzeugung stärker auf fluktuierende Energiemengen aus erneuerbaren Energien angewiesen ist, sagen die Befürworter fossiler Energien. Die Bundesnetzagentur wollte für den August 2011 diese Befürchtung jedoch nicht bestätigen. Selbst im Winter sei kein Atomkraftwerk als „Kaltreserve“ im Standby notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. „Auch im Fall außergewöhnlicher Störungen bleibt das Übertragungsnetz ohne Einsatz eines Reservekernkraftwerks beherrschbar“, so Matthias Kurth, bis Februar 2012 Präsident der Bundesnetzagentur. Eine sorgfältige Analyse des Kraftwerksparks habe solide Reservekapazitäten ermittelt.
Auch Kernkraftwerke benötigen Reserveenergie. Anfang Januar 2012 lief während sehr hoher Windstromeinspeisung in Norddeutschland ein Reservekraftwerk aus Österreich an, um einen durch Stromexporte nach Italien ausgelösten Stromengpass in Süddeutschland zu vermeiden. Ursache war der Ausfall des Atomkraftwerks Gundremmingen, dessen Block C mit einer Leistung von 1.344 Megawatt außerplanmäßig heruntergefahren werden musste, da defekte Brennelemente ausgetauscht werden mussten. Den Ausfall des AKWs mussten andere Kraftwerke ausgleichen, darunter befand sich ein österreichisches Kraftwerk, während viele deutsche Kraftwerke zum gleichen Zeitpunkt still standen.
Zudem wird befürchtet, dass die wegfallende Atomstromproduktion lediglich durch Importe von Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien ersetzt würde, anstatt durch heimische Produktion erneuerbarer Energien. Nach Angaben des BDEW lag jedoch der Exportüberschuss im ersten Halbjahr 2011 (d. h. nach Abschaltung von acht Kernkraftwerken) im Saldo 17 % über dem Import. So konnten fast 28 Terawattstunden exportiert werden, meist nach Österreich und in die Schweiz. 24 Terawattstunden wurden dagegen importiert. Das Öko-Institut kommt nach einer Analyse zu dem Ergebnis, dass durch die Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke nicht mehr „Atomstrom“ produziert werde, sondern der Strommehrbedarf von anderen Energieträgern (insbes. Kohle und Gas) gedeckt werde. Dies liegt daran, dass Kernkraftwerke, die als Grundlastkraftwerke betrieben werden, auch vor der Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke weitgehend ausgelastet waren.
Allerdings veränderten sich die Stromflüsse zwischen Deutschland und Frankreich, wobei Frankreich nun im Jahresschnitt zum Nettoexporteur nach Deutschland wurde. Insgesamt flossen im Jahr 2011 10,8 TWh von Frankreich nach Deutschland, während 8,4 TWh von Deutschland nach Frankreich flossen. Im Jahr 2012 hingegen kehrte sich der Trend um. Frankreich importierte netto mehr Strom aus Deutschland, als es dorthin exportiert. In der Bilanz fallen für Frankreich insgesamt Importe von 8,7 Terawattstunden aus Deutschland an, wie aus der Jahresbilanz 2012 des französischen Stromnetzbetreibers RTE hervorgeht. Zu Spitzenlastzeiten sei der Strom aus deutschen Photovoltaikanlagen für Frankreich günstiger als aus seinen eigenen, oft überlasteten Atomreaktoren. Das der französischen Regierung unterstellte Zentrum für strategische Analysen kommt mittlerweile zu dem Schluss, der Ausbau der erneuerbaren Energien im Nachbarland Deutschland sichere nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die energetische Unabhängigkeit des Landes.
Auch im zweiten Halbjahr, in dem die acht durch den Atomausstieg abgeschalteten Kernkraftwerke nicht mehr zur Stromerzeugung beitrugen, war wie auch im Gesamtjahr 2011 ein Nettoüberschuss zu verzeichnen. Dieser betrug nach vorläufigen Zahlen der ENTSO-E ca. 6 TWh. Der Minderertrag der Kernkraftwerke von ca. 32 TWh wurde durch den geringeren Export (im Saldo 12 TWh weniger als im Vorjahr) sowie durch die erhöhte Einspeisung der Erneuerbare Energien (+ 18 TWh verglichen mit 2010) fast vollständig kompensiert. Auffällig ist die jahreszeitliche Schwankung des Stromaustausches. So betrug der Nettoexport laut Zahlen der AG Energiebilanzen nach dem dritten Quartal ca. 1,6 TWh. Damit kam es im Nachfrageschwächeren Sommer zu Nettoimporten von Strom nach Deutschland, während im Nachfragestarken vierten Quartal einen Nettoexport von rund 4,5 TWh zu verzeichnen ist.
Trotz Atomausstiegs hat Deutschland 2012 so viel Strom exportiert wie noch nie. Nach Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen stieg der Stromexport auf 23 Mrd. kWh an. Das ist fast viermal so viel wie 2011; die Preise für den exportierten Strom lagen dabei über den Preisen des importierten Stroms. Ein Strom-Defizit war zuletzt im Jahr 2002 aufgetreten. Damals musste Deutschland 0,7 Milliarden Kilowattstunden im Ausland einkaufen, um die eigene Versorgung zu decken. Tatsächlich ist die Stromerzeugung aus den Atomreaktoren in Deutschland im Jahr 2012 nach Daten der Arbeitsgemeinschaft auf 99 Mrd. kWh und damit erstmals seit Jahrzehnten wieder unter die 100-Milliarden-Marke gesunken (2011: 108 Mrd. kWh). Damit trug die Atomkraft nur noch 16,6 Prozent zur deutschen Stromversorgung bei, während die Erneuerbaren mittlerweile 23 Prozent abdecken.
->Quelle: de.wikipedia.org