Agora-Studie zu negativen Strompreisen: Konventionelle Kraftwerke sind zu unflexibel – Negative Strompreise werden häufiger
Eine Studie von Energy Brainpool im Auftrag von Agora Energiewende zu Ursachen und Wirkungen negativer Preise an der Strombörse belegt: Ein Teil der konventionellen Kraftwerke reagiert nicht auf Überangebot von Strom. Braunkohle- und Kernkraftwerke sowie große Kraft-Wärmekopplungsanlagen (KWK – Heizkraftwerke) sind die Hauptverursacher von Negativpreisen an der deutsch-französischen Strombörse EPEX Die Must-Run-Kapazität in Deutschland liegt bei etwa 20 bis 25 GW.
Dass konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung von 20 bis 25 Gigawatt bei sehr niedrigen oder sogar negativen Strompreisen nicht vom Netz genommen werden – obwohl die Anlagen in diesen Zeiten Verluste erwirtschaften – hat im Wesentlichen drei Ursachen, wie die Studie zeigt.
- Braunkohle- und Kernkraftwerke lassen sich bei einem hohen Angebot von Strom aus Windkraft und Photovoltaik nicht für wenige Stunden ausschalten. Das An- und Abfahren wäre für die Kraftwerksbetreiber teurer als die Inkaufnahme von negativen Strompreisen, bei denen die Kraftwerksbetreiber dann für die Abnahme des Stroms zahlen.
- Kraftwerke, die neben Strom auch Wärme für Industrie und Haushalte liefern (KWK-Anlagen), können bislang auch bei einem Überangebot von Strom nicht vom Netz genommen werden, weil damit die Wärmelieferungen gefährdet würden.
- Für die Zuverlässigkeit des Stromsystems wichtige Systemdienstleistungen – etwa Regelenergie – fallen derzeit in konventionellen Kraftwerken quasi als Nebenprodukte der Stromerzeugung an. Etliche Kraftwerke laufen daher aus Gründen der Systemstabilität selbst dann, wenn der von ihnen erzeugte Strom vom Markt gar nicht gebraucht wird.
„Falls die konventionellen Anlagen weiterhin so inflexibel bleiben, werden im Jahr 2022 voraussichtlich an rund 1.000 Stunden im Jahr negative Strompreisen zu verzeichnen sein, mit entsprechend höheren Belastungen der Stromkunden,“ so Agora auf ihrer Webseite.
Überschuss an Oko-Strom hat es nie gegeben – Rekord bei max. 65 Prozent des Gesamtbedarfs
Einen tatsächlichen Überschuss an Strom aus erneuerbaren Energiequellen habe es hingegen bislang noch nie gegeben, selbst zu Höchstzeiten betrage der Anteil nicht mehr als 65 Prozent des Gesamtbedarfs. Siehe den „Pfingst-Rekord“ 2014. Der Studie zufolge gab es zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 insgesamt 97 Stunden mit Negativpreisen, die zu einer Mehrbelastung der Verbraucher in Höhe von 90 Millionen Euro für die Finanzierung erneuerbarer Energien führten (mit der vor allem die Differenz zwischen den Einspeisevergütungen und den für Ökostrom an der Börse erzielten Verkaufspreisen aufgebracht wird). Ohne Gegenmaßnahmen sei bis 2022 mit Negativpreisen an rund 1.000 Stunden jährlich zu rechnen.
Die Ergebnisse im Überblick:
Negative Strompreise sind per se nichts Schlechtes, sie belasten aber die EEG -Umlage erheblich. Denn auch in Stunden negativer Strompreise wird der Strom aus Erneuerbaren Energien am Spotmarkt vermarktet. Zwischen Dezember 2012 und Dezember 2013 hat dies das EEG-Konto mit knapp 90 Mio. Euro belastet.
Negative Strompreise haben ihre Ursache in der mangelnden Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks. In Zeiten hoher Wind- und Solarstromproduktion haben Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und KWK-Anlagen ihre Erzeugung nur teilweise reduziert, sodass es – obwohl die Erneuerbaren Energien in den Spitzenstunden nie mehr als 65 % des Stroms produziert haben – zu Stromüberschüssen kam.
Ohne eine deutliche Flexibilisierung von Kraftwerken und Großverbrauchern werden die Stunden mit negativen Strompreisen drastisch zunehmen. Wenn auch weiterhin etwa 20–25 GW konventionelle Kraftwerke rund um die Uhr Strom produzieren, wird die Zahl negativer Strompreise von 64 Stunden im Jahr 2013 auf über 1.000 Stunden bis 2022 steigen.
„Die Studie zeigt, dass es höchste Zeit für ein Flexibilitätsgesetz ist“, sagt Agora-Direktor Patrick Graichen. „Damit können Barrieren, die einem flexibleren Kraftwerksbetrieb auch regulatorisch entgegenstehen, abgebaut werden. So sollten etwa Erneuerbare Energien Systemdienstleistungen übernehmen oder Verbraucher ihren Stromverbrauch in Zeiten mit hoher Stromproduktion auf Erneuerbaren Energien verlagern können. Ohne ein flexibleres Stromsystem drohen an immer mehr Tagen negative Strompreise. Für die Stromverbraucher könnte das über die steigende EEG-Umlage zu zusätzlichen Belastungen führen.“
->Quelle: agora-energiewende.de; energybrainpool.com; solarify.eu