Kohleverstromung gefährdet Klimaschutzziele und Energiewende: DIW Berlin und IASS sehen dringenden Handlungsbedarf
- CO2-Zertifikatehandel setzt keine ausreichenden Anreize für Wechsel zu emissionsarmen Technologien
- Europäischer Emissionshandel derzeit nicht vollständig funktionsfähig
- DIW Berlin und IASS diskutieren flankierende Maßnahmen
Angesichts der anhaltend hohen Kohleverstromung in Deutschland sehen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS-Potsdam) die kurzfristigen Klimaschutzziele der Bundesregierung und die deutsche Energiewende in Gefahr. „Der Handlungsbedarf ist sehr groß, denn derzeit gibt es keine Marktsignale, die die Kohleverstromung reduzieren würden“, sagen Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin, und Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des IASS.
Auch weil der europäische Emissionsrechtehandel nicht richtig funktioniere, sei Kohle derzeit eine der preiswertesten Energieformen. „Da müssen wir dringend gegensteuern“, so Kemfert und Töpfer. Kohlekraftwerke verursachen aktuell etwa ein Drittel des Kohlendioxidausstoßes in Deutschland. Neben der Strukturreform des europäischen Emissionshandelssystems sucht die Bundesregierung daher sowohl für ihr Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 als auch für den Klimaschutzplan 2050 nach Instrumenten zur Eindämmung der CO2-Emissionen, insbesondere für den Kraftwerkssektor. DIW Berlin und IASS haben in unterschiedlichen Studien ergänzende Klimaschutzinstrumente analysiert.
Töpfer „Der Pfad, auf dem wir uns befinden, führt eindeutig nicht zu einer Minderung der CO2-Emissionen.“
Auch nationale Instrumente konkret prüfen
Das DIW Berlin hat sich in seinen Untersuchungen auf die Rolle der Stein- und Braunkohle und aktuelle Instrumentenvorschläge zur CO2-Reduktion konzentriert.
- Dazu zählen etwa Mindestpreise für CO2-Zertifikate. Allerdings würden diese vermutlich zu gering ausfallen, als dass sie einen Brennstoffwechsel von Kohle zum CO2-ärmeren Erdgas bewirken könnten.
- Mindestwirkungsgrade von Kraftwerken und Flexibilitätsanforderungen würden nicht unmittelbar auf eine Verminderung der Kohlenstoffdioxidemissionen zielen und je nach Ausgestaltung auch Gaskraftwerke betreffen, die aufgrund ihrer Flexibilität besser zur Energiewende passen als Kohlekraftwerke.
- Ein Kohleausstiegsgesetz mit festgelegten Reststrom- oder Restemissionsmengen für Kohlekraftwerke könnte einen klaren Fahrplan für das Auslaufen der Kohleverstromung vorgeben, wäre politisch aber vermutlich kaum durchsetzbar.
Äußerst dringend ist nach Ansicht der beiden Institute eine Reform des europäischen Emissionshandels. Eigentlich sollte dieser für hohe CO2-Preise sorgen, die einen Anreiz bieten, nicht mehr so viel Kohle zu verstromen. Aufgrund struktureller Defizite, einer geringen Anpassungsfähigkeit, der hohen Volatilität und fehlendem politischen Konsens auf europäischer Ebene fällt die Lenkungswirkung derzeit aber weitgehend aus.
Kemfert: „Die B erechtigung, eine Tonne CO2 auszustoßen, kostet lediglich sechs Euro – um die Braunkohleverstromung zu verringern, wären aber Preise in einer Größenordnung von 40 bis 50 Euro pro Tonne notwendig. Da dies eher unwahrscheinlich ist, muss man über flankierende Maßnahmen diskutieren.“