Gabriel: „Wir sind grottenstolz“
SPD-Chef Sigmar Gabriel zitierte Weizsäcker aus dessen Buch „Faktor 4“: „Der Kommunismus ist zusammengebrochen, weil er die Preise nicht die wirtschaftliche Wahrheit sagen ließ. Und so könnte der Kapitalismus zusammenbrechen, wenn der den Preisen nicht erlaubt, die ökologische Wahrheit zu sagen“. Weizsäcker, so Gabriel, sei „ein ungewöhnlicher Mensch, Wissenschaftler und Politiker, dem das Kunststück gelungen ist, gleichzeitig echter Verantwortungsethiker und Progressiver zu sein.“Er huldige weder blinder Fortschrittsgläubigkeit, noch blinder Skepsis. Politik schätze die Zukunft gering, das zeige sich bei der Klimadebatte und der Finanzkrise – „nur das Heute und ein schnelles Morgten zählt in der Politik“. Daher werde der Vorrang des Heute in der Politik oft mit Alternativlosigkeit begründet – „das hat Ernst Ulrich von Weizsäcker nie akzeptiert.“ Stets sei er skeptisch gegenüber allem gewesen, was sich als alternativlos bezeichne.
Gabriel würdigte Weizsäckers Zukunftsorientierung als SPD-Bundestagsabgeordneter 1998 bis 2005. Er war 1998 über die Landesliste Baden-Württemberg und 2002 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Stuttgart I in den Bundestag eingezogen. 2005 trat er nicht mehr an und ging als Dekan an die Bren School of Environmental Science and Management, University of California, Santa Barbara. Er sei trotz seines profunden Wissens „politisch nie ein Theoretiker gewesen, sondern immer ein pragmatischer Aktivist“, sagte Gabriel und fügte als SPD-Parteivorsitzender hinzu: „Wir sind grottenstolz, dass du einer von uns bist.“ Erst vor kurzem sei Weizsäcker vom Gottlieb Duttweiler Institut in die Liste der 100 einflussreichsten Vordenker der Welt aufgenommen worden.
Auf die aktuelle Politik eingehend, die EEG-Reform, forderte der Minister: „Zur Hauptsache der Energiewende muss jetzt die Energieeffizienz werden.“ [note Gabriel: „Wir sind grottenstolz darauf, dass Du einer von uns bist!“] Das sei „ein wichtiger Punkt, der bis jetzt liegen geblieben ist“, und reagierte damit auf eine Kritik von Weizsäckers an der EEG-Novelle in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau: „Mir sind darin die Anreize für Energieeffizienz und die Honorierung der Bürger-
Energiegenossenschaften zu schwach, und die Eigenstrom-’Besteuerung‘ ist schwer vermittelbar“. Gabriel räumte ein, dass in der Energiepolitik „noch ein harter Kampf“ bevorstehe. Denn er beherzigte Weizsäckers Erfahrung: „Die damalige Idee, lauter nette Einzelbeispiele aufzuführen, wie man viermal so effizient werden könnte, und zu hoffen, dass die Welt das begierig aufnimmt und sich so viele Energie-, Klima- und Umweltprobleme von allein auflösen würden, war einfach naiv gewesen. Wir mussten mehr an Systemerneuerungen arbeiten und zugleich die Politik der ‚grünen Erneuerung der Wirtschaft‘ viel besser ausarbeiten.“
Sein Sohn Jakob habe über seinen Vater gesagt, so Gabriel in seiner Rede: „ Er ist einfach ein sehr moderner Mensch – obwohl oder gerade weil er bremst, wenn es um zuviel Fortschrittsgläubigkeit geht. So hat er etwa die Forschung an embryonalen Stammzellen abgelehnt und davor gewarnt, den ethisch-moralischen Rubikon zu überschreiten“.