Entgegengesetze Wahrnehmung des Klimawandels
Bei der Wahrnehmung des Klimawandels nach Weltregionen kann eine grobe Entwicklung abgelesen werden.Während die politische Wahrnehmung des Klimawandels in Europa und weiteren industrialisierten Ländern wie Kanada, Südkorea und Japan vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie aktueller Energiesicherheitsdiskussionen langsam abnimmt, sind in anderen Industriestaaten wie den USA, aber auch in Schwellenländern wie China und einer Vielzahl von Entwicklungsländern, entgegengesetzte Entwicklungen zu beobachten. Hier nehmen die Umweltprobleme derart drastisch zu, dass die Politik umfassende Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz beschlossen hat und international mehr Engagement einfordert.
Eine besonders auffällige Entwicklung, die in den vergangenen Jahren im Schatten der globalen Klimapolitik erfolgte, heute aber aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken ist, besteht in der grundlegenden Frage, wie der wachsenden globalen Energienachfrage begegnet werden kann.Hieraus erwachsen nicht nur ordnungspolitische Fragestellungen, die dem globalen Energiehunger einen klimagerechten und wirtschaftswachstumsfreundlichen Rahmen setzen. Die wachsende asiatische Nachfrage nach Energie, aber auch nach anderen Rohstoffen führt dabei zu veränderten geopolitischen Einflussstrukturen. Gleichzeitig verändern Innovationen wie Fracking zur Gewinnung von Schiefergas und -öl in den USA, aber auch die Steigerung der Energieeffizienz in Industrieländern insgesamt, bestehende Angebots- und Nachfragestrukturen für Energierohstoffe. Hieraus erwächst auch eine veränderte Geopolitik mit Blick auf Energieversorgungswege. So ermöglicht der Klimawandel durch die Verringerung der Eismassen im Norden neue Seewege und die Erschließung weiterer Energierohstoffvorkommen. Auf der technologischen Seite ermöglicht die Weiterentwicklung der Verflüssigung von Erdgas (LNG) den Transport von Gas über den Seeweg, sodass Alternativen zu teuren und politisch oftmals komplizierten Pipeline-Projekten entstehen.
Mit Blick auf die klima- und energiepolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigt sich, dass erneuerbare Energien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass immer mehr Staaten sich individuelle Energiestrategien zulegen und dabei wenig dogmatisch vorgehen. Ihr Hauptkalkül ist selten klimapolitisch getrieben. Es sind stattdessen oft klassische energiesicherheitsrelevante Überlegungen im Kontext der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit. Aber selbst unter diesem Gesichtspunkt sind die erneuerbaren Energien mittlerweile zu einer echten Ergänzung bestehender Energieversorgungssysteme geworden. Staaten wie Deutschland, die den nahezu vollständigen Einstieg in die Erneuerbaren im Rahmen einer Energiewende anstreben, werden dabei sehr aufmerksam verfolgt, um von ihrer Lernkurve profitieren zu können. Interessant ist dabei, dass die Wahrnehmung der deutschen Energiewende weniger mit einer klimapolitischen Motivation verbunden wird .Stattdessen wird Deutschlands Energiewende eher als eine logische Konsequenz seiner geringen eigenen Energierohstoffvorkommen verstanden. Im Kern hat sich bei der Integration der Erneuerbaren überall auf der Welt dabei die gleiche Frage herauskristallisiert: Wie können fossile und regenerative Energien, die immer noch in einem hohen Maße von nationalen Fördersystemen abhängig sind, gleichzeitig über einen Energiemarkt die Energieversorgung sicherstellen? Eine abschließende Antwort gibt es darauf nicht. Allerdings zeichnet sich durch diese gemeinsame Fragestellung eine globale Transformation der Energieversorgung hin zu mehr erneuerbaren Energien ab.
Schon seit längerem befinden sich die Klimaverhandlungen unter dem Dach der VN in einer schwierigen Phase. Bereits 2009 sollte in Kopenhagen ein lang angelegter Verhandlungsplan zu einem umfassenden und verbindlichen Klimaschutzabkommen führen, das dann aber nicht zustande kam. Der neue Fahrplan soll nun 2015 in Paris zu einem globalen Abkommen führen. Inwieweit die Umverteilung von Geldern zur Vermeidung des Klimawandels bzw. zur Anpassung daran in den durchaus eindrucksvollen Dimensionen, wie den 100 Milliarden US-Dollar, die ab 2020 von Industrie- an Entwicklungsländer gehen sollen, entgegenwirken können, bleibt dahin gestellt. Vielleicht ist es aber gerade deshalb an dieser Stelle auch sinnvoll, parallel zu den multilateralen Verhandlungen neue Wege einzuschlagen, um dem Klimawandel wirksam zu begegnen. Aktuelle Entwicklungen auf der nationalen bzw. regionalen Ebene, wie der wachsende Einsatz von erneuerbaren Energien, die Klimapolitik in Städten, der Einsatz von Emissionshandelssystemen, können dabei als Vorbild dienen.
->Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., ISBN 978-3-95721-053-1