Vorsitzender des Koordinierungskreises der „Energiesysteme der Zukunft“
Im Rahmen des Projekts der großen Wissenschaftsorganisationen Energiesysteme der Zukunft hat sich ein Koordinierungskreis gebildet, der die Forschungsagenda für das Gemeinschaftswerk Energiewende vorantreiben soll. In der Sitzung dieses Koordinierungskreises am 28.08.2014 wurde Prof. Robert Schlögl, Direktor am MPI CEC zum Vorsitzenden gewählt.
Ziel des Zusammenschlusses der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist das gemeinsame Vorantreiben der Energiewende, indem die Forschungs- und Wissenschaftsparteien Lösungswege und Handlungsoptionen für den Energiewendeprozess erarbeiten und veröffentlichen. Themen sind neben der Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit des Prozesses auch die Vorsorgesicherheit sowie die gesellschaftliche Akzeptanz.
Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, gratulierte Prof. Schlögl zur Wahl und dankte ihm, auch im Namen von Bundesministerin Wanka, für sein „großes Engagement“ und ehrte seine persönliche Art, das konstruktive Zusammenwirken aller Beteiligten zu erreichen.
Artikel zur Erläuterung der „Energiesysteme der Zukunft“
Schlögl selbst erläutert in einem Artikel der Mitgliederzeitschrift der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für physikalische Chemie (auf der CEC-Seite verfügbar), vor welchen Aufgaben das Projekt „Energiesysteme der Zukunft“ steht und macht deutlich, dass nur gemeinsames Handeln zu einer erfolgreichen Energiewende führen kann.
Systemverständnis für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende
Die Wissenschaftsakademien haben ein gemeinsames Projekt zur Begleitung der Energiewende ins Leben gerufen. Über die Grenzen von Fachrichtungen und Forschungseinrichtungen hinweg bündelt das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ Kompetenzen in der Energieforschung, erarbeitet Handlungsoptionen für eine unabhängige, wissenschaftsbasierte Politikberatung und stellt seine Ergebnisse auf breiter gesellschaftlicher Basis zur Diskussion
Das Energiesystem muss nachhaltiger werden, künftig ohne Kernenergie auskommen und viel weniger Treibhausgase emittieren. Gleichzeitig soll Energie bezahlbar bleiben und in gewohnter Verlässlichkeit bereit stehen. So lassen sich die Herausforderungen der Energiewende in Deutschland unter Beachtung des energiepolitischen Zieldreiecks zusammenfassen.
Kein Masterplan aber Handlungsoptionen
Einen Masterplan für diesen auf mehrere Jahrzehnte angelegten Umbau der Energieversorgung kann es aber schon alleine deshalb nicht geben, weil sich das Energiesystem ständig wandelt. Es geht vielmehr darum, mögliche Lösungswege zu einem nachhaltigen, sicheren und bezahlbaren Energiesystem aufzuzeigen, die im Laufe der Zeit immer wieder hinterfragt und angepasst werden müssen.
Vor diesem Hintergrund haben acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften gemeinsam die Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ ins Leben gerufen. Das Projekt soll wissenschaftliches Orientierungswissen bereitstellen, das die Politik in ihre Entscheidungsfi ndung einbeziehen kann. In unterschiedlichen fachlichen und thematischen Arbeitsgruppen beteiligen sich derzeit mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an dem Akademienprojekt. Technik- und Naturwissenschaftler arbeiten mit Fachleuten der Rechtswissenschaft, Soziologie, Ökonomie und Systemforschung zusammen.
Sie berücksichtigen die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Ressourcen, vorhandene und noch zu erforschende Technologien, volkswirtschaftliche Kosten und Marktdesigns ebenso wie die gesellschaftlichen und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln sie gemeinsam Handlungsoptionen für die Umsetzung der Energiewende.
Wechselwirkungen im komplexen Energiesystem
Mit dem interdisziplinären Ansatz wollen wir den systemischen Blick auf die komplexe Energieversorgung schärfen. Denn das Energiesystem ist hochgradig vernetzt und von politischen Maßnahmen sowie zahlreichen Akteuren beeinflusst. Gleichzeitig ist es sowohl über die technische Infrastruktur mit unseren europäischen Nachbarländern verbunden als auch in den europäischen Binnenmarkt und das Emissionshandelssystem ETS integriert. Wenn man nun beim Umbau dieses Systems an einer Stellschraube dreht, hat das oft unvorhergesehene Auswirkungen an ganz anderer Stelle. Solche Wechselwirkungen im Energiesystem hat eine Arbeitsgruppe im Akademienprojekt ausführlich beleuchtet.
Weitere Themen waren das Zielsystem der Energiewende sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland. Eine andere Arbeitsgruppe hat aus volkswirtschaftlicher Perspektive Reformoptionen für den Europäischen Emissionshandel ausgearbeitet, die ihn wirksamer im Hinblick auf die europaweite Reduktion des [[CO2]]-Ausstoßes machen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Marktteilnehmer schaffen sollen. Die Ergebnisse werden bis zum Jahresende veröffentlicht. In Arbeit sind auch Analysen zur Versorgung mit metallischen Rohstoffen sowie zum Thema „Risiko und Resilienz“ des Energieversorgungssystems.
Flexibilität als Schlüssel des Energieversorgungssystems
Eine weitere Arbeitsgruppe des Akademienprojekts nimmt derzeit die mittel- und langfristigen Flexibilitätsbedarfe in Energiesystemen mit hohem Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien in den Blick. Zeitliche Referenzpunkte sind die Jahre 2023 und 2050. Im Sinne des systemischen Ansatzes werden Speicherlösungen zusammen mit dem Netzausbau, Demand-Side-Management und Flexibilisierungsmaßnahmen auf Seiten der Energiebereitstellung betrachtet. Der zeitliche Verlauf der Wind- und Solarenergieeinspeisung und des Verbrauchs, die Zusammensetzung des Kraftwerksparks sowie der Grad der Integration mit den Nachbarländern werden berücksichtigt. Die Datenbasis für die technische Analyse wird von einer Vielzahl an Experten zusammengestellt und soll mit der Veröffentlichung weitgehend transparent gemacht werden.
Gleiches gilt für die Auswahl der Szenarien, die einen sinnvollen Möglichkeitsraum für künftige Entwicklungen des Flexibilitätsbedarfs abstecken sollen. Im Ergebnis will die Arbeitsgruppe Handlungsoptionen aufzeigen, wie die Versorgungssicherheit im Energiesystem trotz eines wachsenden Anteils fl uktuierenden Wind- und Solarstroms zu möglichst geringen Kosten sichergestellt werden kann. Für verschiedene Szenarien soll der Ausbaubedarf an Stromnetzen, Speichern und Stromerzeugungsanlagen quantifiziert werden. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen wie die Akzeptabilität der eingesetzten Technologien sowie der Forschungs- und Entwicklungsbedarf werden ebenfalls diskutiert.
Gesellschaftlicher Dialog und Energieforschung von morgen: „Forschungsforum Energiewende“
Neben der Politikberatung stellt das Akademienprojekt seine Ergebnisse auch zur Diskussion mit gesellschaftlichen Gruppen. Dies geschieht vor allem im „Forschungsforum Energiewende“, das hochrangige Vertreter aus Wirtschaft, Politik und organisierter Zivilgesellschaft zusammenbringt. Denn letztlich braucht es eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte darüber, welche von der Wissenschaft entwickelten Handlungsoptionen auch politisch umsetzbar sind und von der Gesellschaft mitgetragen werden.
Dieser Dialog wird derzeit nicht nur über energiepolitische Fragen, sondern auch über Eckpfeiler der Energieforschung in Deutschland geführt. Aus dem Akademienprojekt heraus haben wir Vorschläge für die Struktur der Energieforschung entwickelt sowie zentrale Projektfelder identifiziert. Letztere umfassen
- intelligentere Netzstrukturen,
- Verfahren zur Umwandlung von Überschussstrom in Energieträger („Power-to-X“),
- das Recycling mineralischer Rohstoffe und
- die Flexibilisierung von Industrieprozessen.
Ziel ist es, die Wirtschaft von Anfang an in die Projektentwicklung einzubinden. Über Modellsysteme oder Pilotanlagen gilt es, die benötigten Technologien kontinuierlich bis zur großtechnischen Anwendung zu entwickeln und in Demonstrationsanlagen oder -projekten mit systemrelevanten Ausmaßen (grid-scale) zu erproben. Darüber hinaus wird in den Projekten das notwendige Wissen darüber geschaffen, unter welchen Rahmenbedingungen die entwickelten Technologien wirtschaftlich realisierbar sind und einen relevanten Beitrag zum Gesamtsystem leisten können. So wird das „Tal des Todes“ überwunden, das heute oft zwischen der Forschung und der industriellen Anwendung neuer Technologien liegt – und oft gar dieselbe verhindert.
Der Koordinierungskreis Forschung, in dem die großen außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen sowie die TU9 vertreten sind, tragen das Konzept mit. Nun werden die Strukturund Projektvorschläge von den Akteuren des Forschungsforums und weiteren Stakeholdern diskutiert, kommentiert und ergänzt
Anschließend erarbeitet das Forschungsforum eine „Strategische Forschungsagenda Energiewende“. Diese soll in die Weiterentwicklung des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung einfließen.
Wissenschaftsbasierte Handlungsoptionen für die Energiepolitik entwickeln, konkrete Vorschläge für die Energieforschung von morgen unterbreiten, und zwar im Dialog mit der Gesellschaft – mit diesen Beiträgen wollen wir im Rahmen des Akademienprojekts die Energiesysteme der Zukunft mitgestalten.
->Quellen: