Gabriel, Seehofer und der SuedLink

„Noch Klärungsbedarf“

Wie verfahren der Streit zwischen Seehofer und Gabriel in Sachen Stromtrassenbau ist, zeigt auch eine Pressemitteilung des Übertragungsnetzbetreibers Tennet. Das Unternehmen soll den „SuedLink“ bauen und führt deshalb bürgeroffene Diskussionsforen durch, bei denen vom Leitungsbau Betroffene ihre Einwände vorbringen können.

Ein für den 29. September geplantes Forum wurde letzte Woche abgesagt. Dazu schreibt Tennet in der Pressemitteilung: „Der ursprünglich für Montag geplante Infomarkt in Schweinfurt entfällt: Nach Gesprächen mit der Politik hat Tennet den Eindruck gewonnen, dass zwischen Bayern und dem Bund noch abschließender Klärungsbedarf über das ‚Ob‘ des Netzausbaus im Rahmen der Energiewende besteht.“ Selten kommentiert ein Unternehmen politische Meinungsverschiedenheiten in einer Pressemitteilung so deutlich. Es knirscht und kracht zwischen München und Berlin. Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht.

Stromnetz und Ausbaupläne

Das gesamte Stromnetz in Deutschland umfasst nach Zahlen der Bundesnetzagentur rund 1,79 Millionen Kilometer. Das Netz gliedert sich gemessen an der Stromkreislänge wie folgt:

  • Höchstspannung (380 Kilovolt): 35 270 Kilometer;
  • Hochspannung (110 oder 60 kV): 95 425 Kilometer;
  • Mittelspannung (30 bis 3 kV): 507 953 Kilometer;
  • Niederspannung (400 oder 230 Volt): 1 149 973 Kilometer.

Es gibt vier Betreiber von Höchstspannungsleitungen in Deutschland:  50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW. Sie speisen den Großteil des Stroms ein und verteilen ihn über lange Distanzen. Hinzu kommen 806 Verteilnetzbetreiber, darunter viele Stadtwerke, die den Strom über niedrigere Spannungsebenen zum Verbraucher bringen.
Um den zunehmenden Windstrom von Nord- und Ostdeutschland in den Süden zu transportieren, sollen nun drei große Stromtrassen mit insgesamt 2800 Kilometern Länge gebaut werden. Zudem sollen im bestehenden Höchstspannungsnetz 2900 Kilometer für die je nach Wetter schwankende Ökostrom-Einspeisung optimiert werden. Planungs- und Bauzeiten sollen dabei von zehn auf vier Jahre verkürzt werden. Die Kosten für die 36 Projekte betragen rund zehn Milliarden Euro – ohne die Zusatzkosten für Erdverkabelungen auf einzelnen Trassenabschnitten.

Gaskraftwerke?

Aus der Branche heißt es, Seehofer wolle in Bayern Gaskraftwerke bauen, um unabhängig zu sein und warte auf Finanzierungsvorschläge aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Seehofers Problem: Investoren für defizitäre Gaskraftwerke sind derzeit nirgends zu finden. Gasstrom ist viel teurer als subventionierter Ökostrom und nachgefragt wird er nur, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Die Preise an der Strombörse entstehen aber vor allem durch den Ökostrom, der derzeit im Überfluss in die Netze drückt.

Folglich hofft Seehofer darauf, dass Gabriel ein Gesetz ins Leben ruft, das den Neubau von Gaskraftwerken rentabel macht. Doch der Bundeswirtschaftsminister trägt auf Konferenzen zum Thema Energiewende schon seit Monaten sein Mantra vor, mit ihm werde es „kein Hartz IV“ – also keine Subventionen – für konventionelle Kraftwerke geben. So droht mit dem Stromtrassenbau ein wichtiger Baustein der Energiewende zwischen Berlin und München zerrieben zu werden. (Oliver Mayer-Rüth)

Quelle und mehr zu diesem Thema: