Wenn es stimmt, wäre es eine Revolution – aber starke Zweifel
Der amerikanische Konzern Lockheed Martin will in nur vierjähriger Entwicklungsarbeit – völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit – einen kompakten Kernfusionsreaktor gebaut haben. Wenn die Mitteilung stimmt, dass die Luft-Waffenschmiede bereits in einem Jahr die Testversion eines „Compact Fusion Reactors“ (CFR) schaffen will, in zehn Jahren gar ein marktreifes Kraftwerk, weckt das Lockheed-Martin-Projekt neue Hoffnungen darauf, dass die seit Jahrzehnten in zahlreichen Großversuchen mit viel Geld angestrebte unerschöpfliche und umweltfreundliche Energiequelle doch Wirklichkeit wird. Doch Zweifel scheinen angebracht.
„Es ist kein Geheimnis, dass unser ‚Skunk Works-Team‚*) häufig an Zukunfts-Technologien arbeitet,“ heißt es auf der Lockheed Martin-Webseite. Und weiter: „Wenn sie an einer unerschöpfliche Energiequelle arbeiten, lassen unsere Ingenieure sich vom größten natürlichen Fusionsreaktor – der Sonne – inspirieren. Mit der Energie der Sonne in einer ‚kleinen magnetischen Flasche‘ sind wir auf der Überholspur in der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren, um sämtliche wie auch immer wachsenden Energiebedürfnisse der Welt zufrieden zu stellen.“
[note *) Skunk works (von engl. skunk = Stinktier) sind geheime Projekte, auch solche, die Mitarbeiter ohne Kenntnis der Unternehmensleitung durchführen. Ursprünglich wurde der Name Skunk Works von Lockheed Martin als halboffizielle Bezeichnung für die Forschungs- und Konstruktionsabteilung Lockheed Advanced Development Projects Unit verwendet, die maßgeblich für die Entwicklung vieler, zum Teil geheimer Flugzeugprojekte war. Der Begriff soll auf den Comic Li’l Abner von Al Capp zurückgehen, in dem in der Fabrik Skunk Works unter Verwendung von Skunks ein nicht näher bezeichnetes Produkt erstellt wird. (Nach Wikipedia)]
Die Vorgänger-Firma Lockheed war bisher eher als Militärflugzeugbauer (der unglückliche Starfighter F104G, oder die Spionagejets U-2 und SR-71 „Blackbird“, der Tarnkappenbomber F-117 oder das Stealth-Jagdflugzeug F-22 „Raptor“) bekannt – der zweite Vorgänger Martin Marietta durch Cruise Missiles (Marschflugkörper). Jetzt steckt hinter dem Kompaktfusionsreaktor „Skunk Works“, die Forschungsabteilung von Lockheed Martin. also Advanced Development Programs (ADP) – niemand hatte sie bisher als Top-Adresse der Plasmaphysik auf dem Zettel.
„Sollte stimmen, was die Skunk-Works-Forscher behaupten“, schreibt SPIEGEL-Online von sorgfältig begründeter Skepsis gefolgt, „stünde nicht nur die Energiebranche, sondern die gesamte Weltwirtschaft vor einer Revolution. Schiffe, Lkw und sogar Flugzeuge und Raumschiffe könnten künftig von winzigen Fusionsreaktoren angetrieben werden. Die geringe Größe ermögliche auch schnellere Entwicklungsschritte, meint Thomas McGuire, Leiter des Skunk-Works-Teams.“ Doch die Darstellung McGuires (auf dem Foto links) enthalte einige Ungereimtheiten. So müsse etwa die Größe angezweifelt werden. Auch sei das Konzept nicht so neu wie LM behaupte.
„Sehr erstaunt“ zeigte sich Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Bisher hatten die meisten Wissenschaftler angenommen, dass das bis zu 50 Jahre dauern dürfte. Das Hauptproblem aus wirtschaftlicher Sicht: Noch ist es nicht gelungen, einen Reaktor zu bauen, der mehr Energie erzeugt, als zum Heizen des ultraheißen Plasmas hineingesteckt werden muss. Anders wäre ein Kraftwerk völlig unrentabel. Große Teile der Forschergemeinde und Fachpresse waren von Lockheeds Ankündigung zwar zunächst elektrisiert – schnell stellten sich jedoch Zweifel ein. „Wenn es so ist, wie wir es sehen, ist das eher eine Kombination aus zwei Konzepten, die schon alt sind“, meint Zohm. Das Thema ist für die USA strategisch wichtig: Es geht darum zu zeigen, welches „Versprechen die kompakte Fusion für unsere Nation und die Welt als kurzfristige Lösung unserer Energiebedürfnisse“ sowie zur Vermeidung von Konflikten über knappe Ressourcen berge.