Kompliziertes Feld: Umweltschutz, Meerespolitik und Fischerei
von Nicole Sagener, EurActiv.de
Mit dem Malteser Karmenu Vella hat Europa einen Umwelt-Kommissar, der sich in vielerlei Hinsicht erst beweisen muss. Leicht dürfte das nicht werden, denn auch die Kompetenzen innerhalb seines Arbeitsbereiches sind noch nicht endgültig verteilt.
Steht schon jetzt unter Beschuss: Der neue EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.
G7-Gipfel und Klimakonferenz in Paris – im kommenden Jahr finden gleich zwei internationale Ereignisse mit Fokus auf den Bereichen Energie, Klima- und Umweltschutz statt. Dennoch sorgten gerade diese Themenfelder bereits im Vorfeld der Besetzung der neuen EU-Kommission für heftige Auseinandersetzungen.
Ein großer Streitpunkt war dabei die Besetzung und Gewichtung des Umwelt-Ressorts – ein Punkt, der etwa die Grünen dazu bewog, die Kommission abzulehnen.
„Herr Juncker hat mehr soziales Europa im Blut als Herr Barroso, aber mit der Ökologie und Zukunftsinvestitionen im ökologischen Bereich hat er es leider nicht, urteilte etwa Sven Giegold, finanz-und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, im Deutschlandfunk. Nachhaltige Entwicklung spiele in Junckers Briefen an alle Kommissare als Aufgaben kaum eine Rolle.
Struktur, Besetzung, Ziele – alles offen, alles neu?
Zwar hatte Jean Claude Juncker nach der Bestätigung der neuen Kommission in seiner Rede vor dem Parlament versichert, dass die nachhaltige Entwicklung verpflichtend in den Verträgen verankert sei. „Mit großen grünen Ressorts, die über hohe Budgets und knallharte Regulierungskompetenzen verfügen, besitzt die neue Kommission die Instrumente, um sich ihrer anzunehmen“, sagte Juncker. Doch nach der Bestätigung der Kommissare bleiben viele kritische Stimmen zurück – zur Besetzung des Postens, zur Struktur des Ressorts, zu Junckers Vorgaben.
Dabei stehen wichtige Aufgaben bevor. Denn nachdem die europäische Umweltgesetzgebung seit mehr als 30 Jahren stetig durchreguliert wurde, müssen nun viele der bestehenden Gesetze und Verordnungen auch angemessen umgesetzt werden. Dazu zählen unter anderem der Gewässerschutz sowie das Abfallrecht, zu dem die alte Kommission unter José Manuel Barroso schon vor der Sommerpause einen Entwurf ausgearbeitet hatte.
Hauptaufgabe: Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht
„In vielen Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinien noch in nationales Recht gegossen werden“, sagt Götz Reichert vom Centrum für Europäische Politik im Gespräch mit EurActiv.de. Zudem müsse das bestehende Recht in den einzelnen Ländern verwaltet werden. Gerade hier aber bestünden noch große Mängel, sagt Reichert – vor allem in Südost-Europa, dem noch die Erfahrungen auf diesem Gebiet fehlten.
Ob der aus Malta stammende neue Umweltkommissar, der noch immer mit viel Skepsis betrachtete Karmenu Vella, diese Aufgaben bewältigen wird, werden die nächsten fünf Jahre zeigen. Nachdem einige Portfolios innerhalb der EU-Kommission neu zusammengestellt wurden, unterstehen ihm die Bereiche Umweltschutz, Meerespolitik und Fischerei. Beide Felder könnten und sollten eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um die Schaffung von Arbeitsplätzen, den schonenden Umgang mit Ressourcen und die Wachstums- und Investitionsförderung geht, heißt es dazu in der Pressemitteilung der Kommission.
Früher Tourismus-Minister
Kritiker aber sagen, Umweltschutz und Nachhaltigkeit kämen in der neuen EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker zu kurz, weil die Interessen der Industrie in den Vordergrund gestellt würden. In der Benennung des früheren maltesischen Tourismus-Ministers Vella sehen sie einen Rückschritt in Sachen Umweltschutz.
„Wir bemängeln, dass Juncker in das Portfolio von Vella nicht das 7. Umweltaktionsprogramm (7. UAP) hineingeschrieben hat, obwohl der Umwelt- und Fischereiausschuss dies nach der Anhörung von Vella ausdrücklich verlangt hatte, sagt etwa Claus Mayr vom Naturschutzbund Nabu gegenüber EurActiv.de.
Umweltschutz droht zu erodieren
Vella hatte in der Anhörung vor dem Parlament zwar zugesichert, sich um die Umsetzung des UAP-Programms zu kümmern – den für alle EU-Institutionen bindenden „Fahrplan“ für die Schwerpunkte in der EU-Umweltpolitik bis 2020. Damit würden die geltenden Umweltgesetze in den Mitgliedstaaten, etwa die Naturschutzrichtlinien sowie gesetzliche Initiativen zur Verbesserung der Luftqualität und des Ressourcenschutzes, besser umgesetzt. „Wenn Vella dies aber nicht prioritär umsetzt, könnte ein Erosionsprozess des Umwelt- und Naturschutzes in der EU drohen“, warnt Mayr.
Zusammenarbeit noch nicht geklärt
Ein weiteres großes Manko der neuen Kommission im Bereich Umwelt sieht Mayr in der neuen Struktur der Kommission. Sie führt dazu, dass die Zusammenarbeit zwischen Junckers unmittelbarem Stellvertreter Frans Timmermans sowie den Kommissions-Vizepräsidenten Jyrki Katainen und Maroš Šefovi mit dem Umweltkommissar Vella noch unklar ist.
„Spätestens bei der Weltklimakonferenz im Herbst 2015 werden sich durch die unklaren Zuständigkeitsbereiche Reibungsverluste ergeben“, prophezeit Naturschützer Mayr.
Götz Reichert bleibt gelassen: „Weil die EU diesbezüglich noch keine Erfahrungen hat, müssten diese erst gesammelt werden“, sagt er. Wie die Kooperation aussehen wird und welchen Stellenwert der Umweltschutz erhält, hängt seiner Ansicht nach letztlich vor allem von einem Faktor ab: den Personen.
->Quelle: euractiv.de