Ein koordiniertes europäisches Marktdesign für erneuerbare Energien in der Stromversorgung
von Florian Bieberbach, Hans Lerchl, Stephan Eidt und Reinhold Zuldt – erschienen in Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Heft 3, 2012)
Der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien in der Stromversorgung Europas bringt Herausforderungen der Markt- und Systemintegration mit sich, die sich mit dem bisherigen Rahmen kaum bewerkstelligen lassen. Ein volkswirtschaftlich optimaler, kombinierter Zubau von Erzeugungskapazitäten und Netzen könnte, selbstverständlich unter Berücksichtigung von Unbundlingvorschriften, hier zielführend sein. Der Schlüssel liegt in einem Zertifikatesystem, das ein einfaches, bürokratiearmes europäisches Marktdesign ergibt. Erfolgreiche nationale Instrumente müssten keinesfalls abgeschafft, sondern könnten – wie heute bspw. das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – komplementär wirken. Ergänzend wären Kapazitätsmechanismen integrierbar.
Um den gewaltigen Herausforderungen des Klimawandels und den tendenziellen Preissteigerungen für Öl und Gas zu begegnen, will die Europäische Union (EU) bis 2050 die Landschaft der Stromerzeugung restrukturieren. Die erneuerbaren Energien (EE) sollen das führende System werden. Dieser Prozess ist durch den weitgehenden Verzicht auf fossile Kraftwerke bestimmt und Teil des Dekarbonisierungspfades der EU [1].
Unterschiedliche EE-Fördersysteme
Die Mitgliedstaaten wenden dabei aktuell unterschiedliche EE-Fördersysteme an. Ein einheitliches europäisches Fördersystem, dessen Ziele zunächst bis 2020 [2] an den Vorgaben des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) ausgerichtet sind, existiert derzeit (noch) nicht. Jedoch arbeitet die EU bereits daran, analog zu CO2 die EE koordiniert in den sich rasant entwickelnden europäischen Energiebinnenmarkt zu integrieren. Grundgedanke dabei ist es, über einen Wettbewerb der Technologien und Standorte eine hohe Effizienz zu erreichen.
Als Folge des EE-Ausbaus ist in den europäischen Netzen erhebliche zusätzliche Transportkapazität erforderlich, um künftig diesen Strom bedarfsgerecht zu den Verbrauchern zu transportieren. Die aktuelle Netzauslegung ist historisch durch Großkraftwerke geprägt, die in Nähe zu Ballungszentren gebaut wurden. Für eine durch EE geprägte Struktur müssen künftig Hunderte von Kilometern zur Versorgung von Endkunden in Ballungsräumen überwunden werden, da sich die Standorte der EE mit niedrigen Erzeugungskosten in der Regel nicht in der Nähe der Verbrauchszentren bzw. in strukturschwachen Regionen befinden.
Kosteneffizienz bei der Entwicklung und Umsetzung der EU-Klimaschutzziele
Eine weitere Anforderung an die europäische Energiepolitik ist die von Verbraucherschützern ebenso wie von Industrieverbänden erhobene Forderung, dass sich die Kosten der Umgestaltung des europäischen Energiesystems und die Energiepreissteigerungen in Grenzen halten müssen. Dies erfordert einen klaren Fokus auf Kosteneffizienz bei der Entwicklung und Umsetzung der EU-Klimaschutzziele.
Die Herausforderung, der sich dieser Artikel stellt, besteht daher in einem volkswirtschaftlich optimalen, kombinierten Ausbau sowohl der EE als auch der notwendigen Netze in der EU. Dabei werden entgegen der Praxis bisheriger Diskussionen die EE und die Netze nicht separat, sondern energiewirtschaftlich zusammenhängend bewertet. Das Prinzip des Unbundlings bleibt dabei unberührt.
Der Vorteil gegenüber Fördersystemen ohne Berücksichtigung des Netzes besteht darin, dass eine im wahrsten Sinne des Wortes bedarfsnähere Förderung entwickelt wird. Dies kann z. B. dazu führen, EE-Anlagen zu wirtschaftlichen Konditionen auch an Standorten zu bauen, die für sich genommen nicht den allerhöchsten Anforderungen genügen. Darüber hinaus wird dem Gedanken der Dezentralität sowie dem Bestreben nach verbrauchsnaher Einspeisung Rechnung getragen.