Ein Hybridsystem für Europa
Europäische Zertifikatesysteme zur Förderung von EE werden häufig mit dem Hinweis auf die erfolgreichen nationalen Fördersysteme wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abgelehnt. Dabei wird übersehen, dass die unbestreitbaren Vorteile und Erfolge von Systemen wie dem deutschen EEG keineswegs in einer europäischen Harmonisierung verloren gehen müssen.
Das vorgeschlagene europäische System für eine Übergangszeit bis zur Marktreife der einzelnen EE-Technologie (Abb. 3) lässt sich mit nationalen FiT-Systemen ergänzen, wodurch alle Vorteile bspw. des deutschen EEG erhalten bleiben können, gleichzeitig aber eine notwendige europäische Integration möglich ist. Jedes einzelne Land kann für seine EE-Standorte eine optionale Einspeisevergütung anbieten, die aus Sicht des Produzenten wie das heutige EEG wirkt. Dies sollte über eine öffentlich regulierte Institution geschehen.
Dabei hat der Erzeuger die Möglichkeit, exante und pauschal seine Stromerzeugung, GoOs und GCs gegen eine feste Einspeisevergütung zu tauschen, ähnlich den erwähnten PPAs. Insbesondere kleine Erzeuger können auf diese Weise einfach eine garantierte Förderung wie heute im EEG erhalten. Eine Doppelförderung ist wegen des Tausches ausgeschlossen. Eine Institution vermarktet die Zertifikate in den europäischen Märkten und erzielt damit Erlöse, die zur Finanzierung der Einspeisevergütung verwendet werden. Je nach Höhe der Fördersätze entsteht dabei ein Defizit, das wie heute beim EEG über eine Umlage finanziell gewälzt wird.
Differenzierte Netznutzungsentgelte für Stromerzeuger
Aus der alleinigen Perspektive der Erzeugungstechnologien in einem marktbasierten Quotensystem würde sich die Verteilung der Wind- und Solarenergieanlagen über Europa in erster Linie am Energieangebot orientieren: Windenergie an und vor den (nördlichen) Küsten sowie solarthermische Kraftwerke und Freiflächen-Photovoltaik (PV) in den Mittelmeerländern. Die Folge sind erhebliche Netzkosten.
Netzparität
Der Strom aus PV-Anlagen muss volkswirtschaftlich gesehen und entgegen häufiger Behauptung mit dem Großhandelspreis und nicht mit dem Strom „aus der Steckdose“ konkurrieren. Aufgrund der jahres- und tageszeitlichen Abhängigkeit der Stromeinspeisung aus PV kann nicht auf das Stromtransport- und Verteilnetz verzichtet werden. Bei einer verursachergerechten Allokation der Netzkosten und Vorhaltekosten für gesicherte Kraftwerksleistung ergibt sich ein wesentlich höherer Grundpreis für den Netzanschluss, wodurch die sog. Netzparität der PV erst bei einer Konkurrenzfähigkeit am Großhandelsmarkt erreicht wird.
Die Netzkosten werden in Europa aktuell sehr unterschiedlich auf Netznutzer verteilt. Um künftig eine aus volkswirtschaftlicher Gesamtsicht optimale Allokation der EE wie auch der konventionellen Erzeugung zu erreichen, sollten sich Kosten eines zusätzlich notwendigen Netzausbaus bzw. Einsparungen durch eine Vermeidung von Netzinvestitionen direkt in Netzentgelten für Erzeuger niederschlagen [5].
Eine G-Komponente (G = Generation) für einspeisende Stromerzeugungsanlagen bewirkt Allokationssignale für eine optimierte Verteilung. Die Entgelthöhe ist abhängig vom Netzanschlusspunkt (Ort und Spannungsebene sowie die ggf. damit verbundenen Ausbaukosten) und der Einspeisecharakteristik. Bspw. würde dann ein Gaskraftwerk am Höchstspannungsnetz in einem Verbrauchsschwerpunkt als verbrauchsnaher, regelbarer und gesicherter Einspeiser einen Bonus vom Netz erhalten. Ein Windpark in Nordschweden an einem schwach ausgebauten Hochspannungsnetz, der verbrauchsfern und fluktuierend einspeist, kompensiert über die G-Komponente die zusätzlichen Betriebs- und Ausbaukosten des Netzes.
Netzausbau vermeidende Erzeugungsstandorte erlangen einen wirtschaftlichen Wert, der die Investitionsentscheidungen direkt beeinflusst. Das heute bestehende Konzept der vermiedenen Netznutzungsentgelte kann in diese Richtung weiterentwickelt und integriert werden.
Die Kombination des vorgeschlagenen Fördersystems mit der G-Komponente führt zu einer volkswirtschaftlich optimalen Verteilung von Standorten über Europa nach transparenten, wirtschaftlichen und marktlichen Kriterien unter Berücksichtigung von natürlichen Standortbedingungen für EE, lokaler Stromnachfrage und Netzkapazität.
Versorgungssicherheit und Integrierbarkeit von Kapazitätsmechanismen
Der deutliche Zubau von erneuerbaren Energien mit dargebotsabhängiger Einspeisung erfordert technische und marktliche Lösungen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit auf dem bisherigen Qualitätsniveau. Gesicherte Erzeugung kann kurz- bis mittelfristig nur durch thermische Kraftwerke bereitgestellt werden, die jedoch auf deutlich weniger Benutzungsstunden kommen werden (Missing-Money-Problem) und damit zunehmend unwirtschaftlich sind. Sorgfältig gestaltete Kapazitätsmechanismen zur Erhöhung der Erzeugungskapazität könnten dabei sinnvolle Maßnahmen darstellen, um extremen Knappheitssituationen entgegenzuwirken. Solche Mechanismen wären problemlos ins hier skizzierte Marktdesign integrierbar.
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