Ist diese Zukunftsvorstellung denn wirklich mehr als ein Traum?
Ja, sie ist überlebensnotwendig und sie ist machbar. Wenn die Hersteller die Wartung übernehmen müssen, haben sie großes Interesse an bequemer, seltener Wartung und Reparatur und an Langlebigkeit der Produkte. Remanufacturing kommt hinzu: ganze Komponenten, die möglichst die wertvollen Stoffe enthalten, können mit geringfügiger Modernisierung wieder ins neue Produkt eingesetzt werden; das ist viel eleganter und ressourcenschonender als Schreddern. Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und ein remanufacturing-freundliches Produktdesign werden die Stichworte für die Industrie der Zukunft. Die klassische Abfallwirtschaft einschließlich der wertvernichtenden Müllverbrennung verliert an Gewicht.
Das Wohlstands- oder Verbrauchswachstum wird irgendwann alle ökologisch sinnvollen Barrieren überwinden, wenn wir nicht lernen, mit etwas weniger Verbrauch glücklich zu sein. Ich predige nicht den Verzicht. Dagegen schlage ich vor, Energie und Primärressourcen jedes Jahr parallel zum Effizienzfortschritt teurer zu machen. Die durchschnittlichen Kosten für Energie- und Stoffeinsätze bleiben dann gleich, und es entwickelt sich ein sich selbst beschleunigendes „Ping-Pong“ zwischen Effizienz und Preisen, ähnlich wie wir es bei Arbeitsproduktivität und Löhnen erlebt haben. Mit dem neuen Ping-Pong würden wir immer wettbewerbsfähiger. Zur Vermeidung von Industrieabwanderung kann man Aufkommensneutralität vereinbaren: Die kassierten Energiesteuern würden an die Branche zurückgegeben, pro Wertschöpfung oder Arbeitsplatz; so würde die Branche nichts verlieren, aber sie hätte einen Daueranreiz, effizienter mit Energie umzugehen. Schließlich aber brauchen wir auch eine Zivilisation der Genügsamkeit. Der Wochenendtrip nach Teneriffa wird unschick! Aber die Lebensfreude und der zwischenmenschliche Genuss würden zunehmen.
Es heißt immer: Kostentreibende Maßnahmen gehen nur europaweit, oder nur im Weltmaßstab. Wird es denn wirklich helfen, wenn wenige Länder vorangehen?
Es hat keine tränenreichen internationalen Harmonisierungskonferenzen zur Durchsetzung von Laptops gegeben, sondern wenige haben angefangen. Daraufhin haben andere gemerkt, dass man davon reicher wird und sind eingestiegen. Die Klimaverhandlungen sind deswegen in der Sackgasse, weil zu viele glauben, vom Klimaschutz wird man ärmer. Die Effizienzrevolution macht Länder und Firmen aber wettbewerbsfähiger und reicher. Bloß in Amerika ist ein Staatseingriff, der Energie verteuert, politisch nicht durchsetzbar.
Die hoch industrialisierten und von Rohstoff- und Energieimporten abhängigen Länder Westeuropas und Ostasiens sollten eine Art Allianz bilden und der restlichen Welt zeigen, dass eine Effizienzrevolution sie stärkt. Dann merken Entwicklungsländer sowie die USA, dass sie auf ihren Verschwendungsmodellen sitzen bleiben. Das macht dann die Wall Street nervös und die Wirtschaftspolitiker in Entwicklungsländern. Und dann dauert es nicht mehr lang und die ganze Welt macht mit.
Ernst Ulrich von Weizsäcker – Seit den 70er Jahren mahnt der studierte Physiker und promovierte Biologe Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu nachhaltigem Denken und Handeln. Der Sohn des Physikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker zählt zu den Pionieren der Umweltforschung und wurde vielfach ausgezeichnet. Er wirkte u.a. als Direktor am UNO-Zentrum für Wissenschaft und Technologie, als Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik und Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Als Mitglied des Bundestags leitete er die Enquete-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft“. – Mehr auf ernst.weizsaecker.de.