Aktiver Klimaschutz im Rahmen der Energiewende: Erneuerbare statt Kohle
1. Ausgangslage
Die Energiewende ist kein Selbstzweck, sondern verfolgt übergeordnete gesellschaftliche Ziele. Dazu zählen in vorderster Linie der Klimaschutz, die Energieversorgungssicherheit sowie die Reduktion nuklearer Risiken durch den Atomausstieg.
Der Atomausstieg wird bis Ende 2022 vollzogen sein. Beim Klimaschutz zeigt sich hingegen, dass die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen noch nicht ausreichen, um die Ziele zu erfüllen. Die Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung (80% Anteil der Erneuerbaren Energien und 80 bis 95% CO2– Reduktion bis 2050) implizieren bereits einen Kohleausstieg, der durch die derzeitige Gesetzgebung allerdings noch nicht angegangen worden ist.
Die starke Nutzung der Kohle hat in den vergangenen Jahren sogar dazu beigetragen, dass der CO2– Anstieg in Deutschland wieder gewachsen ist. Ursächlich hierfür sind
- der starke Zubau von neuen Kohlekraftwerken sowie
- der nicht-funktionierende Emissionshandel.
Letzterer begünstigt Kohlekraftwerke gegenüber Gaskraftwerken, da die dort aktuell vorhandenen Preise die CO2-Kosten der fossilen Stromerzeugung nur marginal internalisieren. Dies führt zu starken Marktverzerrungen bis hin zu Marktversagen. Eine vollständige Einpreisung der realen CO2-Kosten würde die Braunkohle ohne Weiteres aus dem Markt drängen und einen großen Schritt zu einem effektiven Klimaschutz bedeuten. Dies erscheint aber zumindest in naher Zukunft unrealistisch.
Folglich befinden wir uns in einer Situation, in der die Kohle die Rolle spielt, die eigentlich systemgerecht dem Gas zugedacht ist: die Residualstromerzeugung in Ergänzung zu den Erneuerbaren Energien.
Dies verringert die Flexibilität des Stromerzeugungssystems, erhöht den CO2-Ausstoß und treibt ausgerechnet jene Kraftwerke in die Unwirtschaftlichkeit, die in der Übergangsphase bis zur Erneuerbaren Vollversorgung in erster Linie benötigt werden. Als Nebeneffekt kommt hinzu, dass die Exporte von deutschem Kohlestrom sogar jenseits der deutschen Grenze Gaskraftwerke aus dem Markt drängen.
Daher sind politische Maßnahmen erforderlich, die die Energiewende vom Kopf auf die Füße stellen und das beschriebene Marktversagen ausgleichen.
Im Falle der Umsetzung der nachfolgenden Vorschläge, die sowohl kurz- als auch langfristigen Charakter haben,
- kann das nationaleCO2-Einsparziel für 2020 und 2050 erreicht werden,
- können die Börsenstrompreise stabilisiert werden,
- kann die Flexibilität des Systems erhöht werden, was einerseits die Versorgungssicherheit verbessert und andererseits Systemkosten (aufgrund mangelnder Kompatibilitäten) senkt.
2. Kurzfristige Maßnahmen
- Erweiterte Strategische Reserve einführen!
- Eigenverbrauch des Braunkohletagebaus mit EEG-Umlage belasten!
- Merit-Order-Effekt über Kraftwerkseigenverbrauchsbelastung internalisieren!
- Schärfere Grenzwerte für Quecksilber und Feinstaub setzen!
- CO2-Grenzwerte einführen!
- Must-Run-Kapazitäten reduzieren!
- Neue Tagebaue nicht genehmigen, alte Tagebaue zurückführen!
2.1 Erweiterte Strategische Reserve einführen
Der BEE hatte 2013 gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, dem Bundesumweltministerium und einer Reihe von Forschungsinstituten ein Konzept für eine Strategische Reserve erarbeitet. Dieser Vorschlag, der eine Strategische Reserve in der Größenordnung von rund 4 Gigawatt (GW) vorsah, wird im Folgenden auf ca. 7 bis 10 GW erweitert und inhaltlich fortentwickelt.
So ergibt sich die Möglichkeit, die Strategische Reserve in zwei Teile aufzuteilen: Teil A, der als erster aktiviert werden sollte, würde Kraftwerke umfassen, die relativ flexibel sind, d.h. in einem relativ kurzen Zeitraum aktiviert werden könnten. Die Kraftwerke in Teil B würden demgegenüber aus langsameren Kraftwerken bestehen, die dann hinzugezogen würden, wenn die Kraftwerke des Teils A nicht ausreichten. Die Kraftwerke des Teils B würden vor allem aus älteren Braunkohlekraftwerken bestehen, die nicht ohnehin bereits zur Abschaltung vorgesehen sind.
Dadurch könnten in relevantem Umfang relativ inflexible Grundlastkraftwerke mit hohem spezifischen CO2-Ausstoß demMarkt entzogen werden. Die Folgen wären
a) eine deutliche Reduktion des CO2-Ausstoßes,
b) die Flexibilisierung des Energieversorgungssystems,
c) ein hohes Maß an Energieversorgungssicherheit und
d) eine Stabilisierung der Börsenstrompreise mit positiven Auswirkungen auf die Refinanzierung der im Markt sowie in Planung befindlichen Kraftwerke sowie auf die EEG-Umlage.
2.2 Eigenverbrauch des Braunkohletagebaus belasten! Der Braunkohletagebau ist von der EEG-Umlage befreit. Die Braunkohletagebaubetreiber lassen die Stromversorgung für den Braunkohletagebau unter dem Eigenverbrauchsregime des EEG laufen, nach dem für Bestandsanlagen keine EEG-Umlage gezahlt werden muss. Durch diesen Ansatz wird dieser sehr klimaschädliche Brennstoff begünstigt. Neue Technologien zur Energieerzeugung wie die Photovoltaik werden hingegen belastet.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte in seinem Schreiben vom 3. Juni 2014 an die Regierungsfraktionen vorgeschlagen, dass Eigenstrom beim Braunkohletagebau künftig belastet werden soll. Um Bestandsschutz zu wahren, beinhaltete sein Vorschlag ein stufenweises Ansteigen: 2015: 20 Prozent 2016: 35 Prozent 2017: 50 Prozent Damit sollten Mehreinnahmen für das EEG-Konto und damit zugunsten der Allgemeinheit der einfachen Stromkunden in Höhe von 180 Mio. Euro erzielt werden, davon zwei Drittel, also 120 Mio. Euro, bei der Braunkohle.
Der BEE schlägt vor, den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers aufzugreifen und in diesen Schritten weiterzuentwickeln, was auch im Sinne der Rechtsgrundsätze der EU-Kommission ist:
- 2018: 65 Prozent
- 2019: 80 Prozent
- 2020: 95 Prozent
- 2021: 100 Prozent
2.3 Merit-Order-Effekt über Kraftwerkseigenverbrauchsbelastung internalisieren!
Die Stromerzeugung mit Erneuerbaren Energien drückt über den sog. Merit-Order-Effekt an der Strombörse die Großhandelspreise. Dies wirkt sich u.a. dahingehend aus, dass die Differenzkosten zu den Vergütungshöhen bzw. den Marktprämien steigen, was sich negativ auf das EEG-Konto auswirkt und damit zu einer höheren EEG-Umlage zulasten der allgemeinen Stromkunden führt. Dieses EEGParadoxon kann durch eine Internalisierung des Merit-Order-Effekts aufgelöst werden. Dazu gibt es detaillierte Konzepte, die in einer Studie von Energy Brainpool für den BEE erarbeitet wurden und auf die wir an dieser Stelle verweisen.
Einen vergleichbaren Effekt hätte die Eigenverbrauchsbelastung bei Kraftwerken, die insbesondere bei der Braunkohle von Relevanz wäre, da hier der Kraftwerkseigenverbrauch besonders hoch ist. Die Belastung des Kraftwerkseigenverbrauchs wurde bei der EEG-Novelle explizit ausgenommen. Dies gilt es aus Sicht des BEE zu korrigieren. Der BEE schlägt eine Belastung des Eigenverbrauchs für Kraftwerke oberhalb 20 MW in Höhe der EEG-Umlage vor. Für Kraftwerke mit einem relevanten KWK-Anteil soll die Eigenverbrauchsbelastung 40 Prozent der EEG-Umlage betragen, analog zur KWKEigenverbrauchsbelastung.
2.4 Schärfe Grenzwerte für Quecksilber und Feinstaub setzen!
Die allgemeinen Grenzwerte für Quecksilber und Feinstaub liegen deutlich über den Werten, die nach Meinung zahlreicher Wissenschaftler unter Gesundheitsgesichtspunkten verantwortlich sind.
Derartige Quecksilberemissionen bergen ein hohes Gefährdungspotenzial. Dies gilt insbesondere für Methylquecksilber, welches von Kohlekraftwerken freigesetzt wird. Untersuchungen haben ergeben, dass Methylquecksilber die Entwicklung kindlicher Gehirne schädigt, sowohl vorgeburtlich als auch 4 im Kindesalter. Die Grenzwerte in Deutschland sind viel zu hoch, um hier effektiven Schutz zu schaffen.
Die Bundesrepublik sollte sich am Stand von Wissenschaft und Technik orientieren, wie sie zum Beispiel in den USA formuliert worden sind. Die US-amerikanischen Grenzwerte für Kraftwerke betragen – auf die in Deutschland verwendeten Einheiten umgerechnet – 1,4 Mikrogramm/Normkubikmeter (?g/Nm3) für Steinkohle- und 4,1 ?g/Nm3 für Braunkohlekraftwerke (jeweils Mittelwert über 30 Tage).
Sie liegen damit deutlich unter den deutschen Grenzwerten von 30 ?g/Nm3 im Tagesmittel und (ab 2019 für bestehende Anlagen geltend) von 10 ?g/Nm3 im Jahresmittel.
Die Grenzwerte für die Freisetzung von Quecksilber sind daher zu überarbeiten und auf die in den USA für Altanlagen gültigen Grenzwerte für Kohlekraftwerke anzupassen. Dabei sollte der Stand der Technik dahingehend überprüft werden, ob nicht für Kohlekraftwerke generell 1,4 Mikrogramm gelten können.
Auch die Grenze in der Verordnung für Feinstäube liegt noch viel zu hoch und entspricht nicht dem Stand der Technik. Insbesondere bei ungünstigen Witterungslagen kommt es zu sehr schädlichen Auswirkungen. Deswegen sollten die Staubgrenzwerte für Kohlekraftwerke auf 5 Milligramm pro Kubikmeter abgesenkt werden.
2.5 CO2-Grenzwerte einführen! Für CO2 gibt es in Deutschland bislang keine Grenzwerte. Der Klimaschutz rechtfertigt die Einführung von Grenzwerten für Klimagase ebenso wie zuvor der Gesundheits- und Umweltschutz die Einführung von Grenzwerten für Schadstoffe. Die Grenzwerte sollten sowohl für neue Anlagen gelten als auch für Bestandsanlagen mit einer Betriebsdauer von 35 Jahren.
2.6 Must-Run-Kapazitäten reduzieren! Kohlekraftwerke nehmen z.T. wichtige sog. Must-Run Funktionen wahr, d.h. sie leisten Beiträge zur Netzstabilität. Sie erbringen Regelenergie- und Systemdienstleistungen. Diese Funktionen können und sollen jedoch alternativ von Erneuerbaren Energien, Speichern u.a. erbracht werden.
Umso wichtiger ist es, dass die Erneuerbaren Energien die Möglichkeit erhalten, diese Funktionen wahrzunehmen. Dazu gehört, dass die Regelenergiemärkte stärker für die Erneuerbaren Energien geöffnet werden, als dies bislang der Fall ist. Mit der schrittweisen Übernahme von Verantwortlichkeiten ermöglichen die Erneuerbaren Energien damit die Reduktion des sog. Must-Run-Sockels. Ganz nebenbei reduziert sich damit das Erfordernis nach Einspeisemanagementmaßnahmen. Die geringeren Laufzeiten der Kohlekraftwerke würden sich folglich auch in niedrigeren CO2-Emissionen auswirken.
2.7 Neue Tagebaue nicht genehmigen, alte Tagebaue zurückführen! Die Erschließung neuer Tagebaue ist vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung nicht zu verantworten.
Das Signal ist auch international höchst schädlich und nicht vermittelbar. Neue Tagebaue sind für die Energieversorgungssicherheit überflüssig.
Das Berggesetz sollte daher dahingehend novelliert werden, dass neue Tagebaue für Kohlekraftwerke nicht mehr erlaubt sind. Die Nutzungserlaubnis vorhandener Tagebaue sollte schrittweise auslaufen, damit der Tagebau sich an den Klimaschutzzielen ausrichten kann. Dies trägt auch zur Planungssicherheit für alle Beteiligten bei.
->Quellen: