Hü und Hott beim Klimaziel
Bundeswirtschaftsminister Gabriel soll gesagt haben, das Klimaziel – 40 % Reduzierung gegenüber 1990 bis 2020 – sei nicht zu halten: er hat also sinngemäß dementiert, dass er weiterhin hinter dieser Zielmarke steht, obwohl er an alten Kohlenmeilern festhalten will. Dieses Dementi habe er jetzt dementiert. Steht (teils) im Spiegel und (teils) in der Welt.
Und zwar so…:
Das Klimaziel der Bundesregierung sei „nicht mehr zu halten, hat Wirtschaftsminister Gabriel nach Spiegel-Informationen intern eingeräumt“. Das Hamburger Nachrichtenmagazin folgert daraus messerscharf, die Bundesregierung plane die Aufgabe ihrer Klimaschutzziele, und zwar „trotz anderslautender öffentlicher Beteuerungen“. In einer internen Runde soll der Energieminister und Vizekanzler gesagt haben: „Ist doch klar, dass das Ziel nicht zu halten ist“, und hinzugefügt haben: „Wir können nicht von jetzt auf gleich aus der Kohle raus.“
Um trotzdem 2020 zielgenau zu landen, müssten – so der Klimaschutzaktionsplan des Umweltministeriums – die CO2-Emissionen jährlich um zusätzlich 62 bis 100 Millionen Tonnen herunter gefahren werden. Dazu könnten stillzulegende alte Kohlemeiler 40 Millionen Tonnen beitragen.
Soweit der Spiegel. Die Welt weiß:
„Gabriel dementiert Aufgabe von Klimaschutzziel. „Gabriel wolle am Klimaschutzziel festhalten, „obwohl auch alte klimaschädliche Kohlekraftwerke am Netz bleiben sollen“.
Der Klimaschutzplan von Bundesumweltministerin Hendricks soll zwar am 3. Dezember beschlossen werden, hat aber zur Zeit noch viele Leerstellen, vor allem, was die Stillegung fossiler Kraftwerke anbelangt. Ein Sprecher von Hendricks habe betont, die Darstellung des Spiegel entbehre jeder Grundlage. „Ein vertrauliches Gespräch zwischen beiden Ministern, in dem Gabriel die Aufgabe des Zieles angesagt habe, habe nicht stattgefunden“, so die Welt.
Solarify meint: Ein normal begabter Journalist kann heutzutage auf dem Weg vom Brandenburger Tor zum Reichstag mittels eines einfachen Handys und dreier Telefonnummern einen politischen Konflikt herbeitelefonieren – zwei Telefonate weiter kann man es gar bis zur Regierungskrise bringen. Was ist wirklich geschehen?
Es handelte sich um eine „interne Runde“ – der Spiegel war also nicht dabei. Und die Welt, durchaus nicht uninteressiert an einem Weiterdrehen des Konflikts Gabriel-Hendricks wg. Klimaschutz-Ziel, fragt gar nicht Gabriel selbst (oder seinen Sprecher), sondern lässt einen anonymen Sprecher des Umweltministeriums ein Gespräch Gabriel-Merkel bestreiten, das der Spiegel gar nicht behauptet hatte. Klassischer Fall von wichtigtuerischem Hauptstadt-Journalismus.
Gabriel („Natürlich werden wir die 40 % schaffen!“) selbst fragte im ARD-Bericht aus Berlin: „Wir wär’s denn, wenn die mal bei uns anrufen würden? Aber Recherchieren macht nur die Story kaputt“. Na also…
->Quellen: