WEO befürchtet 3,6 Grad Temperaturanstieg
„Ein Brikett“ nannte Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Sontowski den diesjährigen World Energy Outlook der Internationalen Energie-Agentur (IEA), der am 19.11.2014 im Berliner Wirtschaftsministerium vorgestellt wurde. IEA-Chefvolkswirt Fatih Birol legte erneut einen Akzent auf die ungleiche Verteilung der Subventionen: Fossile Energieträger erhielten mit 440 Milliarden Euro viermal so viel wie erneuerbare. Zudem kämen diese Gelder nicht den Armen zugute, sondern den reichen Produzenten- oder Förderländern.
Die Fragen, auf die der WEO 2014, der sich auf erstmals bis 2040 ausgedehnte neue Projektionen stützt, Antworten zu geben versucht:
- Läutet das Wachstum der nordamerikanischen Ölversorgung eine neue Ära des Überflusses ein – oder verdunkeln die Krisen in Teilen des Nahen Ostens den Horizont?
- Bietet die Expansion des Flüssigerdgas-Handels die Möglichkeit höherer Sicherheit bei der globalen Gasversorgung?
- Wie sehr kann die Lücke der Wettbewerbsfähigkeit, die durch unterschiedliche regionale Energiepreise verursacht wird, durch Energieeffizienz geschlossen werden?
- Welche Faktoren sollten die Entscheidungsfindung jener Länder bestimmen, die Kernenergie verwenden, ins Auge fassen oder aus ihr aussteigen wollen?
- Wie kann der Energiesektor von Subsahara-Afrika dazu beitragen, den Einwohnern dort ein besseres Leben zu ermöglichen?
- Wie nahe steht die Welt davor, das verfügbare Kohlenstoffdioxidbudget aufzubrauchen, das nicht überschritten werden darf, wenn die globale Erwärmung gebremst werden soll?
Dazu werden Erwartungen bezüglich des Energiesektors in Subsahara-Afrika sowie der Status und die Aussichten der Kernenergie analysiert als Teil einer systematischen Analyse der Entwicklungen des globalen Energiesektors, quer über alle Brennstoffe und Nationen.
Zunächst warnt die IEA vor den Krisen im Nahen Osten – der „letzten großen Quelle billigen Öls“ – die Krisen seien „seit den Ölschocks in den 1970er-Jahren kaum stärker“ gewesen. Die Sicherheit der Gaslieferungen stehe seit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine infrage, und die Atomkraft sehe „einer ungewissen Zukunft entgegen“. Für mehr als zwei Drittel der Bevölkerung von Subsahara-Afrika sei Zugang zur Stromversorgung unerreichbar. Weiterhin stiegen „Treibhausgasemissionen und erdrückende Luftverschmutzung in vielen schnell wachsenden Städten der Welt“. Der WEO-2014 liefere „Einblicke, die dazu beitragen können, sicherzustellen, dass das Energiesystem von Grund auf umgestaltet wird, anstatt lediglich durch unsystematische Einzelereignisse verschlechtbessert.
Folgt man dem WEO-Szenario, dann steigt der weltweite Energiebedarf bis 2040 um 37%, allerdings gehe die weltweite Nachfrage als „Resultat sowohl preislicher als auch politischer Wirkungen sowie einer strukturellen Verschiebung der globalen Wirtschaft hin zu Dienstleistungen und Leichtindustrie“ deutlich zurück – von mehr als 2% jährlich während der vergangenen beiden Jahrzehnte auf 1% pro Jahr jenseits von 2025. Die Verteilung der Energienachfrage ändere sich „noch dramatischer, mit stagnierendem Energieverbrauch im Großteil Europas, in Japan, Korea und Nordamerika, sowie steigender Nachfrage im übrigen Teil Asiens (60% des weltweiten Nachfrageanstiegs), Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika“. Ein „Meilenstein“ werde Anfang der 2030er-Jahre erreicht, dann werde China nämlich zum größten Ölverbraucher der Welt und überhole gar die USA. Am Ende des Szenarios, 2040, werden vier etwa gleich große Anteile den Energiemarkt ausmachen: Öl, Gas, Kohle und kohlenstoffarme Quellen.
Der WEO zum Thema CO2: Politikentscheidungen und Marktentwicklungen, die bis 2040 den Anteil fossiler Brennstoffe am Primärenergieverbrauch auf lediglich unter drei Viertel drücken, reichen nicht aus, um den Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen einzudämmen, die bis dahin um ein Fünftel steigen. Dies bringt uns auf einen Entwicklungspfad der konsistent ist mit einem globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 3,6 °C. Der Weltklimarat schätzt, dass wir, um diesen Temperaturanstieg auf 2 °C zu begrenzen – das international vereinbarte Ziel, um die gröbsten und weitläufigsten Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden, weltweit ab 2014 nicht mehr als etwa 1000 Gigatonnen CO2 ausstoßen dürfen. In unserem zentralen Szenario wird diese Gesamtreserve bis 2040 aufgebraucht sein. Da die Emissionen natürlich nicht plötzlich auf null absinken werden, wenn dieser Punkt erreicht ist, leuchtet es ein, dass diese 2-°C-Grenze dringende Maßnahmen erfordert, um das Energiesystem auf einen sicheren Weg zu steuern. Dieses Thema wird in einem WEO-Sonderbericht genauer behandelt werden, der Mitte 2015 vor den entscheidenden UN-Klimagesprächen in Paris veröffentlicht werden soll.
Birol nannte Paris „unsere letzte Chance. Immerhin stehen die USA, China und die EU zusammen für 60 Prozent der Emissionen.“