Kohlekraftwerke sind keine Brückentechnologie
Die KfW-Bankengruppe argumentiert, dass es in naher Zukunft nicht möglich sein werde, die Entwicklungsländer zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Ihre Strategie ist es, erst die Versorgung sicherzustellen, und zwar mit Kohlekraft, um dann „sukzessive“ die Wind- und Solarenergie auszubauen. Den Kohlekraftwerken wird damit die Rolle einer Brückentechnologie zugeschrieben. Dabei lässt das Förderinstitut außer Acht, dass die Versorgung mit erneuerbaren Energien ein geschlossenes System von Stromgewinnung und -verbreitung erfordert, das mit konventionellen Kraftwerken nicht kompatibel ist. Sie sind nicht flexibel genug, um auf die Schwankungen der Stromproduktion aus Sonne und Wind flexibel und schnell reagieren zu können, weil sie entweder bei einer kompletten Abschaltung lange Anlaufzeiten haben oder sie unabhängig von dem Strombedarf auf mindestens 50 Prozent Leistung laufen müssen (Minimallast).
Wesentlich besser eignen sich dafür Gaskraftwerke (oder Biogasanlagen) gekoppelt mit modernen Speichertechnologien. Ein sinnvollerer Einsatz von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit wäre also, die höheren Anfangskosten, die solche Maßnahmen mit sich bringen, zu finanzieren. Die Modernisierung von Kohlekraftwerken kann zwar kurzfristig deren [[CO2]]-Bilanz verbessern, doch auf lange Sicht wird aufgrund der verlängerten Laufzeiten der Weg zu einer sauberen Zukunft mit erneuerbaren Energien versperrt.
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich darauf verständigt, die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf zwei Grad zu begrenzen. Andernfalls seien die Schäden für Mensch und Umwelt nicht mehr kontrollierbar. Zahllose Studien weisen darauf hin, dass der Klimawandel vor allem für Entwicklungsländer ein ernstzunehmendes Problem darstellt und den Kampf gegen Hunger und Armut erschwert, schlimmer noch, die Lage sogar verschärft.
Die Arbeitsgruppe III des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) stellte in ihrem im April 2014 erschienenen Teilbericht zur Eindämmung des Klimawandels heraus, dass die globale Erwärmung auf unter zwei Grad begrenzt werden könne – durch eine tiefgreifende Revolution des Energiesektors. 57 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, dem Hauptverursacher des Temperaturanstiegs, stammen aus der Nutzung fossiler Energieträger. Die logische Folge: Die Welt muss lernen, ohne Kohle und andere Brennstoffe, die der Umwelt schaden, auszukommen.
Kohlestrom erreicht arme Menschen nicht
Die KfW-Bankengruppe geht davon aus, dass „Kohlekraftwerke auf längere Sicht eine wichtige Option für einen verbesserten Energiezugang“ darstellen. Der Bau neuer Großanlagen kommt armen Menschen allerdings nicht zugute. In die entlegenen Winkel kommt der Kohlestrom gar nicht erst, es fehlt schlichtweg die Leitung. Denn viele Regierungen haben die Infrastruktur jahrzehntelang vernachlässigt.
Die Versorgung entlegener Regionen mit Kohlestrom wäre nur durch einen massiven Ausbau der Netze möglich. Selbst wenn der dafür notwendige politische Wille vorhanden wäre, wäre dies in vielen Fällen nicht wirtschaftlich, insbesondere angesichts der vorhandenen Alternativen. Schon ab einer Entfernung von 17 Kilometern zum Netz ist eine Stromversorgung mit Photovoltaik ökonomisch sinnvoller, wobei die Preise seit 2011 (dem Zeitpunkt der Berechnung) für PV-Module noch einmal deutlich gefallen sind.
Besonders paradox ist, dass gerade dort, wo Strom in Gas- oder Kohlekraftwerken produziert wird, viele Menschen keinen Zugang zu Energie haben. In Regionen in Indien mit der höchsten Anzahl von Kohlekraftwerken verfügen prozentual die wenigsten Menschen über einen Stromanschluss.
Der Abbau von Kohle geht zudem immer wieder mit der Vertreibung oder Zwangsumsiedlung der lokalen Bevölkerungen einher. Nach einer solchen Umsiedlung kann es passieren, dass Betroffene jahrelang vergeblich auf eine Entschädigung warten.