Rayleigh-Taylor-Instabilität
Die Ergebnisse der aufwendigen Rechnungen zeigen eine markante Übereinstimmung mit den Beobachtungen. Überraschend ist, dass die Strukturen, die den Sonnenphysikern jahrelang Kopfzerbrechen bereiteten, auf Basis der aktuellen Modellrechnungen mit einer alten Bekannten erklärt werden: „Wir konnten belegen, dass die Prozesse auf die Rayleigh-Taylor-Instabilität zurückgehen, einem fundamentalen Prozess der Strömungsphysik“, sagt Guo. Diese Instabilität tritt etwa zwischen zwei unterschiedlich dichten Flüssigkeiten auf, wenn diese gegeneinander beschleunigt werden.
Instabilität in der Teetasse
Sogar in einer Teetasse, in die etwas Milch gegeben wird, kann es zu der Instabilität kommen. Denn die im Vergleich zum Tee schwerere Milch ist der irdischen Schwerebeschleunigung unterworfen. Die kurz sichtbaren, pilzförmigen Ausstülpungen an der Tee-Milch-Grenzfläche sind ein typisches Zeichen für die Instabilität. Diese tritt auch in strömenden Gasen auf. „In der Hülle explodierender Sterne zeigt sich die Rayleigh-Taylor-Instabilität ebenfalls. Die fingerartigen Strukturen in den Gasmassen des Krebsnebels, der bei einer Supernova-Explosion entstand, lassen sich so erklären“, sagt Lijia Guo.
Die beiden Studien der Max-Planck-Forscherinnen führen nun auch zu einem vertieften Verständnis der Vorgänge in der Korona. Neben der Rayleigh-Taylor-Instabilität geht es um einen energiereichen Prozess, bei dem das Magnetfeld in eine andere Konfiguration schnellt, die Rekonnexion. Ähnlich wie bei einem zu stark verdrillten Gummiband, das reißt, entlädt sich während der Flares schlagartig die im Magnetfeld gespeicherte Energie.
Die Rolle des Gummibandes spielen in der Korona die magnetischen Feldlinien. Beim abrupten Umgruppieren der Feldlinien entsteht ein Strahl aus dünnem Plasma: ein Jet. Dieser wird vom Ort der Rekonnexion zur Sonnenoberfläche hin beschleunigt. Weiter unten stößt der Jet auf dichteres Plasma. Am Kopf des Jets treffen also dichtes und dünnes Plasma aufeinander – die Rayleigh-Taylor-Instabilität nimmt ihren Lauf.
„Unsere Beobachtungen ergeben zum ersten Mal klare Belege für solche Rekonnexions-Jets, über die bisher nur theoretisiert wurde“, sagt Davina Innes. Die Resultate der beiden Forscherinnen dürften auch außerhalb der Community der Sonnenphysiker auf Interesse stoßen: „Rekonnexion, Rayleigh-Taylor-Instabilität, Jets – mit unseren Studien sind wir auf einige Phänomene gestoßen, von denen auch andere Felder der Physik profitieren können“, meint Lijia Guo.
->Quelle: mps.mpg.de