Klimagipfel beschließt Roadmap für Paris
Die UN-Klimakonferenz in Peru hat sich auf einen Fahrplan verständigt, der den Weg für ein globales Kyoto-Folgeabkommen im kommenden Jahr ebnen soll. EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks feiern – Industrie und Umweltverbände sind enttäuschend. Eine Zusammenfassung von EurActiv.
Der Kompromiss sieht vor, dass alle Regierungen bis Ende März überarbeitete nationale Programme zur Reduzierung der Treibhausgase vorlegen müssen. Zudem wurde auf Druck der Entwicklungsländer eine weitergehende finanzielle Unterstützung durch die reichen Staaten zugesichert.
Die Regierungen müssen bis zum 31.03.2015 Programme zur Reduzierung der Treibhausgase vorlegen, die dann bis zur nächsten großen Klimakonferenz im November in Paris durch das UN-Klimasekretariat zu einem Paket geschnürt werden sollen. Nach Einschätzung des UN-Klimasekretariats werden aber auch die zusammengefassten Reduktions-Zusagen der einzelnen Länder nicht ausreichen, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Stand zu begrenzen.
Undefiniert blieben Ausmaß und Mittel, wie die nationalen Ziele erreicht werden sollen, auch verbindliche Überprüfungen sind nicht vorgesehen – losgehen soll es ohnehin erst von 2020 an. Eigentlich sollten präzise Umrisse eines Weltklimavertrags für Paris entstehen.
Die Verhandlungen in Lima waren wegen eines Streits zwischen den Schwellen- und Industrieländern über die Lastenverteilung verlängert worden. „Wir haben bekommen, was wir wollten“, sagte Indiens Umweltminister Prakash Javadekar. Das Abschlussdokument halte fest, dass die reicheren Staaten den ärmeren finanziell helfen müssten. In Lima sei der Grundsatz der Rahmenkonvention von 1992 bekräftigt worden, wonach die Industriestaaten beim Klimaschutz die Führungsrolle übernehmen müssen. Damit wurden Bedenken von Schwellenländern wie China und Indien zerstreut, die befürchteten, dass ihnen zu große wachstumshemmende Verpflichtungen auferlegt würden.
„Das ist ein gutes Dokument, das den Weg nach Paris weist“, sagte EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete zufrieden. Er hatte sich mit seiner Forderung nach „transparenten, messbaren und vergleichbaren“ Ziele bei der Reduzierung der CO2-Emissionen durchgesetzt.
Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks begrüßte den Kompromiss, der den Grundstein für einen neuen globalen Klimaschutzvertrag gelegt habe. Man habe in Lima gesehen, „dass etwas in Bewegung geraten“ sei. „Alle Staaten müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen und ihre Klimaschutzbeiträge vorlegen, damit Paris ein Erfolg wird“, so Hendricks.
In Paris 2015 soll ein gemeinsames Vorgehen im Kampf gegen die Erderwärmung für die kommenden Jahrzehnte beschlossen werden, das erstmals allen Ländern Verpflichtungen auferlegt. Das Kyoto-Protokoll von 1997 verpflichtete nur die Industriestaaten zur Reduktion klimaschädigender Gase.
China hatte zugesagt, noch bis 2030 einen weiteren Zuwachs an Treibhausgasen zu erlauben und danach in die Reduktion einzusteigen. Das wirtschaftlich aufstrebende Riesenreich ist vor den USA, der EU und Indien der weltweit größte Produzent an Treibhausgasen.
In Lima hatten sich auch einige Entwicklungs- und Schwellenländer verpflichtet, zu einem neu geschaffenen sogenannten Grünen Klimafonds beizutragen, für den Zusagen in einem Volumen von mehr als zehn Milliarden Dollar für besonders stark vom Klimawandel betroffene Länder gemacht wurden.
„Schwach, schwächer, am schwächsten“
Wirtschaftsverbände reagierten enttäuscht auf das Ergebnis. „Eine realistische Perspektive für ein international bindendes Abkommen mit vergleichbaren Anforderungen für die Reduzierung von Treibhausgasen, wie sie der Emissionshandel in Deutschland vorschreibt, ist immer noch nicht in Sicht“, erklärte der Verband der Chemischen Industrie. Die deutsche und europäische Vorreiterrolle im Klimaschutz habe in Lima keine Nachahmer gefunden, bedauerte der Verband.
Auch Umweltverbände kritisierten das Ergebnis. Bei den Verhandlungen seien schon unzureichende Ausgangspositionen weiter aufgeweicht worden, sagte WWF-Vertreterin Samantha Smith: „Von schwach über schwächer sind wir am Ende bei am schwächsten gelandet.“
„Ein Jahr vor der entscheidenden Konferenz in Paris waren die meisten Regierungen nicht bereit, ihre Trümpfe auf den Tisch zu legen und sind in altbekannten Verhandlungspositionen verharrt“, erklärte Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
UN-Klimachefin Christiana Figueres sprach ihrerseits von einem wichtigen Durchbruch bei der Lastenteilung zwischen armen und reichen Ländern. „In Lima sollten die Fundamente für den Weltklimavertrag von Paris 2015 gelegt werden, doch es wurde nicht einmal die Baugrube fertig gestellt“, kritisierte dagegen Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser. Der Kompromiss sei enttäuschend, weil er die wichtigsten Streitpunkte auf das kommende Jahr verschiebe, statt erste Lösungen zu beschließen.
„Der Weg ist jetzt frei für die Schaffung des ersten Abkommens, das alle Staaten in die Klimaschutzanstrengungen einbindet“, sagt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Der Gipfel von Lima eröffnet alle Möglichkeiten für ambitionierten, weltweiten Klimaschutz. Alle Staaten müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen und ihre Klimaschutzbeiträge vorlegen, damit Paris ein Erfolg wird“, so Hendricks weiter. „Die starre Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist nicht mehr zeitgemäß. Klimaschutz gelingt nur gemeinsam. Es braucht viel Geduld und Anstrengung, diesen alten Graben zuzuschütten. Aber wir haben in Lima gesehen, dass etwas in Bewegung geraten ist. Entwicklungsländer wie Peru, Kolumbien oder Indonesien haben in den Grünen Klimafonds eingezahlt. Und bei den Klimaschutzbeiträgen sind jetzt alle Staaten gefragt.“ Hendricks ergänzt: „Es war zu erwarten, dass zentrale Fragen des neuen Abkommens erst in Paris gelöst werden können. Der Weg dahin bedarf noch enormer Anstrengungen. Aber es war auch eine große Bereitschaft vieler Staaten zu erkennen, sich konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. Darauf wollen wir aufbauen und mit dem Petersberger Klimadialog im Mai 2015 die Verhandlungen in einer entscheidenden Phase voranbringen.“
„Für den Abschluss eines Weltklimavertrages nächstes Jahr in Paris müssen noch eine Reihe von Stolpersteinen aus dem Weg geräumt werden”, so Jo Leinen, SPD-Europapabgeordneter und Ko-Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments, in Lima. Die strittigen Punkte seien nach wie vor ungelöst, so beispielsweise die Finanzierung des weltweiten Klimaschutzes oder die Verpflichtungen der einzelnen Staaten für die Reduzierung der Treibhausgase. „Der Klimagipfel in Paris nächstes Jahr wird ein Härtetest für den Stellenwert der Europäischen Union in der Welt und die Fähigkeiten der EU-Klimadiplomatie“, erklärt Leinen. Als Gastgeber des wichtigen globalen Klimagipfel im Dezember 2015 in Paris trage die Europäische Union die große Verantwortung, die erstarrten Fronten zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern aufzulösen und als Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Erwartungen der beiden Lager aufzutreten.
„Nach dem Fiasko des Klimagipfels in Kopenhagen kann sich Europa keine zweite Blamage erlauben”, warnt Leinen. “Die Menschheit läuft Gefahr, den Wettlauf mit der Zeit für die Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad zu verlieren.” Mehr Vertrauen zwischen den Lagern könne geschaffen werden, indem ein Fahrplan für die Finanzierung der internationalen Klimaschutzbemühungen über 2020 hinaus vorgelegt würde. Die finanziellen Zusagen seien für die Entwicklungsländern entscheidend für ihre Kompromissbereitschaft.
Rebecca Harms, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament: „Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Keiner der beteiligten Staaten hat die Notwendigkeit eines globalen Klimaabkommens bei der Konferenz in Paris im kommenden Herbst in Frage gestellt. Aber dieser Gipfel ist ein Gipfel der vergebenen Chancen. Sogar das Abkommen zwischen den USA und China hat nicht zu wirklich konkreten Fortschritten auf globaler Ebene geführt. Schon jetzt ist klar, dass die Vorschläge zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen, die im kommenden März von den Ländern mit den höchsten Emissionen vorgelegt werden sollen, nicht ausreichen, um das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, zu erreichen. Es bleibt wieder einmal bei Willensbekundungen ohne direkte Konsequenzen. Die Politiker und Politikerinnen bleiben in ihren Beschlüssen weit hinter dem zurück, was technisch und wirtschaftlich möglich ist. Die EU muss gerade mit Blick auf Paris ihre Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel zurückerobern. Dazu gehört eine angemessene – auch finanzielle – Unterstützung der Entwicklungsländer bei ihren Maßnahmen gegen den Klimawandel. Lima lässt völlig offen, wie diese Unterstützung aussehen soll. Die EU-Regierungen müssen ihre Hausaufgaben vor dem Treffen in Paris machen, um bis 2020 einen 100-Milliarden-Dollar-Klimafonds zu erreichen. Das von Luxemburg vorgeschlagenen Treffen der Umweltminister im kommenden Juli ist nur ein erster Schritt in diese Richtung.“
Germanwatch bewertet den Kompromiss als „verpasste Gelegenheit“, einige entscheidende Fragen zur Zukunft des internationalen Klimaschutzes schon jetzt zu klären. „Das Ergebnis sorgt nicht für die notwendige Dynamik auf dem Weg zu einem neuen Klimaabkommen, das in einem Jahr in Paris verabschiedet werden soll“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „In Lima wurden zwar einige Fragen auf dem Weg nach Paris geklärt. Doch die Regierungen haben die Gelegenheit verpasst, hier schon die Weichen zu einem ehrgeizigen Abkommen in Paris zu stellen, das den Klimawandel wirksam begrenzt und die Verletzlichsten schützt.“
Bals fügt hinzu: „Es ist nicht gelungen, den klimapolitischen Schwung der vergangenen Monate für Entscheidungen zu nutzen. Ein Jahr vor der entscheidenden Konferenz in Paris waren die meisten Regierungen nicht bereit, ihre Trümpfe auf den Tisch zu legen und sind in altbekannten Verhandlungspositionen verharrt.“
->Quelle: EurActiv.de