„Chinas Pläne zur Wettermodifikation sind kein Geoengineering“
Unter dieser Überschrift übt das Internetportal Schattenblick Kritik an Berichten über die gigantische chinesische Wettermanipulation u.a. auf Solarify und klimaretter.info. Behauptet wird, die Berichte lenkten ab von der realen Bedrohung durch Geo-Engineering-Pläne. Das hatte jedoch niemand behauptet. Denn weder kommt in einem der Berichte der Begriff Geo-Engeneering vor, noch bestand die Absicht, davon abzulenken. Schattenblick verweist auf die Climate Engineering Conference 2014 (Solarify berichtete: solarify.eu/-iass-konferenz-zum-climate-engineering) des Potsdamer IASS – dort ging es aber im August 2014 um Climate- nicht um Geo-Engeneering. Als offenes Portal dokumentiert Solarify die Schattenblick-Kritik dennoch unverändert (mit zwei redaktionellen Hinweisen):
China stellt Pläne zur gezielten Wetterbeeinflussung vor – Der Alarmismus einiger Internetseiten lenkt von der realen Bedrohung durch Ideen und Konzepte des Geoengineerings ab
Wohl in keinem anderen Land wird so intensiv absichtliche Wetterbeeinflussung betrieben wie in China. Seit vielen Jahrzehnten werden Wolken beispielsweise mit Silberjodidpartikeln „geimpft“ und zum Abregnen gebracht, entweder, damit es in dürregeplagten landwirtschaftlichen Gebieten endlich regnet, die Bildung von Hagel verhindert, der Betrieb von Wasserkraftwerken gesichert oder die Hinterlassenschaft von Staubstürmen weggespült wird, oder damit Wolken abregnen, bevor sie bedeutende Feierlichkeiten unter freiem Himmel wie die Eröffnung der Olympischen Spiele 2006 in Peking oder 2009 die Parade zum 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik trüben können.
Am 7. Dezember 2014 haben die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (National Development and Reform Commission, NDRC) und Chinas Wetterdienst (China Meteorological Administration, CMA) gemeinsam den Entwicklungsplan für die Nationale Wettermodifikation 2014 – 2020 (Development Planning for National Weather Modification, 2014-2020) vorgestellt.1
Demnach will China, verteilt über das ganze Land, sechs regionale Zentren zur Wettermodifikation einrichten, die dafür sorgen sollen, dass bis zum Jahr 2020 jährlich mehr als 60 Milliarden Kubikmeter Niederschlag künstlich ausgelöst werden; zugleich sollen die Gebiete, in denen die Hagelbildung unterbunden wird, auf 540.000 Quadratkilometer vergrößert werden.
In einer früheren Artikelversion, auf die sich die Internetseiten klimaretter.info2 und solarify.eu3 bezogen haben [inzwischen auf beiden korrigiert – S_Y-], wurde noch die von diesen Seiten kolportierte Zahl „54 Millionen Quadratkilometer“ angegeben, was wirklich eine erstaunlich große Fläche gewesen wäre, wenn man bedenkt, daß China demgegenüber nur eine Größe von ungefähr 9,6 Mio. Quadratkilometer hat …
Die Wettermodifikation werde „Auswirkungen weit über China hinaus haben, könnte alle bisherigen globalen Klimamodelle über den Haufen werfen“ [ebenfalls durch S-Y korrigiert], behauptet das von der Max-Planck-Gesellschaft und der Agentur Zukunft gegründete „unabhängige Informationsportal für Erneuerbare Energien, Klimawandel und Energiewende“ namens Solarify.
Begründet wird diese Mutmaßung nicht, und einen solchen Zusammenhang zwischen Wetter und Klima herzustellen, sollte eigentlich schon genauer erläutert werden, zumal beide Begriffe häufiger miteinander verwechselt werden. Die Wiedergabe der irrtümlichen Flächenangabe des CMA-Berichts durch Solarify erweckt den Eindruck, als hätte man gar nicht erst den Versuch unternommen, sich vorzustellen, von welchen Dimensionen hier die Rede ist.
Sicherlich ist es ein ehrgeiziges Ziel, 60 Mrd. Kubikmeter Niederschläge künstlich auszulösen, und in China sind auch viele Menschen mit der Wetterbeeinflussung befaßt. Aber diese Zahl bedeutet doch nicht, dass das Wasser ansonsten nicht über chinesischem Territorium niedergegangen wäre! Künstliche Wettermodifikation könnte man treffenderweise auch als unterstützende Maßnahme bezeichnen, denn aus einem wolkenfreien Himmel wird kein Regen „gezaubert“, und noch heute gibt es Wissenschaftler, die an der Zuverlässigkeit des künstlichen Auslösens von Niederschlägen zweifeln. (Was wiederum eine Einstellung ist, die ihrerseits nicht kritiklos bleiben kann angesichts der Summen, die China, die USA, Argentinien und andere Länder bereit sind, für die Modifikation des Wetters aufzubringen.)
Ansonsten ist eine Niederschlagsmenge von 60 Mrd. Kubikmeter zwar beeindruckend groß, aber im Verhältnis zur Fläche Chinas kaum merklich, nämlich 6250 Kubikmeter Wasser pro Quadratkilometer und Jahr. Das macht pro Quadratmeter 0,00625 Kubikmeter bzw. in der Sprache der Meteorologen rund 6 mm Niederschlag pro Jahr. Wohlgemerkt, das ist keine Menge, die auf die natürliche Niederschlagsmenge aufgerechnet werden kann, weil sich die künstlich angeregten Wolken möglicherweise sowieso irgendwann über China abgeregnet hätten.
Zur besseren Einordnung der Mengenangaben: In großen Teilen der östlichen Regionen Chinas fallen im Durchschnitt 100 – 500 mm Niederschlag pro Jahr (in den Kernregionen der Wüsten noch weniger), im regenreichen Westen dagegen 1.500 – 2000 mm.
Fraglos werden Chinas Maßnahmen zur Wettermodifikation auf lokaler Ebene von enormer Bedeutung sein, doch die Annahme, daß damit die globalen Klimamodelle über den Haufen geworfen werden, wie es gemutmaßt wird, ist nicht nachvollziehbar. Vielleicht hat sich die Website Solarify zu sehr von der Einschätzung durch eine ihrer Quellen beeindrucken lassen, in der es zu den Plänen Chinas heißt: „Es wird stets seit Jahren von Geostrategen davor gewarnt, dass die kommenden Kriege vor allem auch um Wasser neben den fossilien [sic] Brennstoffen geführt werden. Hier haben wir eine konkrete Kriegserklärung vorliegen. Nicht nur die Nachbarländer Chinas werden betroffen sein.“4
Solche von „radio utopia“ verbreiteten Aussagen lassen sich jedoch kaum mit Solarifys Anspruch, „solide wissenschaftliche Informationen über den Stand der Forschung in den einschlägigen Bereichen mit möglichst tendenzfreien Informationen“ zu liefern, in Deckung bringen. Zumal durch solchen Alarmismus ernsthafte, potentiell hochgefährliche Überlegungen und Konzepte verschleiert und verharmlost werden, die tatsächlich auf eine weltweite Wirkung der Klimabeeinflussung abheben und in der Wissenschaft unter dem Titel „Climate Engineering“ bzw. „Geoengineering“ firmieren.
Erst vor wenigen Monaten wurde auf der ersten internationalen Konferenz zu diesem Thema, der Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions, die das Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) vom 18. – 21. August 2014 in Berlin veranstaltet hat, intensiv unter anderem über die Risiken einer globalen Klimamanipulation referiert und diskutiert. Damals sagte zwar Prof. Dr. Steve Rayner, der die sogenannten „Oxford Principles“ zum Geoengineering mitverfaßt hat, im Interview mit dem Schattenblick, daß zu seiner Studienzeit Wetter und Klima deutlicher voneinander getrennt aufgefaßt worden seien als heute5, aber damit hatte er nicht die willkürliche Verwendung der beiden Begriffe gemeint.
Nur für den theoretischen Fall, daß China die Niederschläge ausschließlich entlang der Grenzen zu seinen Nachbarländern künstlich auslösen würde und das auch immer nur in den Zeiten täte, in denen ansonsten der Wind die Wolken über die Grenzen seines Territoriums hinausgetrieben hätte, könnte man davon sprechen, dass China seinen Nachbarn Niederschläge vorenthält. Wenn man es so harsch ausdrücken wollte, könnte dann eine Art Krieg um Wasser entstehen, weil zu vermuten ist, dass die Nachbarstaaten Gleiches mit Gleichem vergelten. Beide Voraussetzungen – erstens ausschließlich grenznahe und zweitens von der Windrichtung abhängige Wettermodifikation – sind jedoch von Chinas Wetterdienst offenkundig nicht vorgesehen.
Natürlich bliebe es nicht ohne Einfluß auf das lokale Klima, wenn in einem Gebiet Jahr für Jahr intensiv künstlicher Regen erzeugt wird. Und in Anlehnung an den aus der Chaostheorie stammenden Spruch, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Mexiko einen Tornado in Texas auslösen kann, könnte man an dieser Stelle einwenden, daß selbst kleine Ursachen unter Umständen große Wirkungen entfalten, also eine Wetterbeeinflussung in China das globale Klima verändern könnte. Aber wer so argumentiert, müsste konsequenterweise auch die weit verbreite künstliche Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen in vielen Ländern als Klimabeeinflussung und globale Gefahr bezeichnen.
Und was wäre dann mit der großflächigen Aufforstung, wie sie beispielsweise in der Sahelzone vorgenommen wird? Verändert sich dadurch nicht ebenfalls das örtliche Klima? Die russischen Physiker Dr. Anastassia Makarieva und Prof. Dr. Victor Gorshkov vom Institut für Nuklearphysik in St. Petersburg vertreten sogar die Theorie – und haben diese bereits in peer-reviewten Fachjournalen publiziert -, daß Wälder ihr eigenes Wetter machen und mittels einer sogenannten „biotischen Pumpe“ meteorologische Tiefdruckgebiete erzeugen, wodurch sie über große Entfernungen hinweg feuchte Luftströmungen „ansaugen“, die dann für Regennachschub sorgen.6 Müsste man demnach nicht Wälder als eine viel größere „Gefahr“ für das Weltklima bezeichnen?
Auch das Anlegen von Stauseen auf der einen und das Verschwinden ganzer Seen (z. B. des Aralsees und des Tschadsees) durch Übernutzung auf der anderen Seite beeinflussen zumindest das lokale Klima. Es ist nicht zu erkennen, dass die Pläne Chinas, so sie umgesetzt werden sollten, eine globale Wirkung entfalten, die von besonderer Besorgnis wäre – gemessen an den zahllosen anderen menschlichen Beeinflussungen des Klimas wie die künstlichen Emissionen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas, das Roden von Wäldern und Umleiten von Flüssen, der Bau von Straßen, Kanälen und Städten, die Zunahme des Flugverkehrs, die Emission von die Ozonschicht zerstörenden Chemikalien und so weiter und so fort.
Es wäre eine eigene Untersuchung wert herauszufinden, ob und wie sich das Klima weltweit ändert, sollten in China schlagartig alle Maßnahmen zur Wettermodifikation eingestellt werden. Die hier vertretene These lautet, dass das kaum jemand bemerken würde.
Ein völlig anderes Thema ist Geoengineering und dabei insbesondere das relativ schnell wirksame Solar Radiation Management (SRM), bei dem beispielsweise Schwefelpartikel in der Stratosphäre verteilt werden, wodurch die Sonneneinstrahlung reduziert werden soll, so daß sie gar nicht erst bis zur Erdoberfläche vordringt. Trotz der absehbar weitreichenden Nebenwirkungen könnte das eines Tages eine Option sein, die verwirklicht wird, sollten die internationalen Klimaschutzverhandlungen, wie sie in diesem Jahr in Paris einen vorläufigen Höhepunkt erfahren, nicht zu den erhofften Resultaten führen.
Würde man anfangen, dieses SRM-Konzept umzusetzen, könnte man lange Zeit nicht mehr damit aufhören. Solange die Menschen weiterhin unverdrossen Treibhausgase emittieren, käme es bei einem Abbruch der Schwefelinjektionen zu einem „Termination Shock“, bei dem die globale Durchschnittstemperatur schlagartig um vier Grad oder mehr nach oben schnellen würde – mit verheerenden Konsequenzen für die Tier- und Pflanzenwelt und die menschliche Zivilisation7.
Von Chinas Plänen zur Wettermodifikation wäre das nicht einmal im Ansatz zu erwarten.
[note Solarify bittet alle LeserInnen, wenn sie Falschinformationen bemerken – niemand ist davor gefeit -, um direkte Mitteilung; wir werden die Sachverhalte und Schlussfolgerungen so schnell wie möglich überprüfen und, wenn nötig, bzw. möglich, Abhilfe schaffen.]
Anmerkungen
1 http://www.cma.gov.cn/en2014/news/News/201412/t20141225_270550.html
2 http://www.klimaretter.info/umwelt/nachricht/17899-china-will-grossraeumig-wetter-manipulieren
3 https://www.solarify.eu/2014/12/29/109-china-will-wetter-machen/
4 https://www.radio-utopie.de/2014/12/28/china-plant-rasanten-klimawandel/
5 http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umri0156.html
6 http://www.bioticregulation.ru/pump/pump.php
7 Näheres dazu im Abschlußbericht einer umfassenden Nachbereitung der „Climate Engineering Conference 2014“ in Form von Interviews und Berichten der Schattenblick-Redaktion: http://schattenblick.com/infopool/umwelt/report/umrb0093.html?
Die Redaktion des Schattenblick erteilte die Genehmigung zum Nachdruck ihrer kritischen Anmerkungen unter der Bedingung folgender Quelleangabe:
„Online-Zeitung SCHATTENBLICK
Schattenblick -> INFOPOOL -> UMWELT -> REDAKTION
KLIMA/548: Chinas Pläne zur Wettermodifikation sind kein Geoengineering (SB)
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