Folgen für die Forschung
Die Photovoltaik steht also erst am Anfang ihres Siegeszuges – und zwar unabhängig davon, ob in Deutschland die Zeichen der Zeit erkannt werden oder nicht. In letzterem Fall hat die deutsche Forschung dennoch jede Menge Alternativen. Wenn es keine europäischen Hersteller mehr gibt, wird sie natürlich vermehrt die außereuropäischen Hersteller unterstützen – die Photovoltaik-Forschung ist längst international. Es wäre aber schade, dass das mit deutschen und europäischen Fördermitteln aufgebaute Know-how dann wirtschaftlich anderen Ländern zugute käme. Man kann das natürlich als einen indirekten Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit sehen, doch könnte das effizienter und mit weniger negativen Folgen wie Insolvenzen geschehen. Als Trost bliebe, dass der Klimaschutz in den Herstellerländern durch die Photovoltaik sicher schneller vorankommt als ohne.
Neben der Photovoltaik stellt die Energiewende viele wichtige Fragen an die Forschung. Das Fraunhofer ISE hat in seinen 33 Jahren viele Auf- und Abschwünge erlebt. Das ist eine natürliche Folge der Beschäftigung mit neuen Technologien. Wir haben uns deshalb schon immer als „Systemhaus“ verstanden und eine breite Palette von nachhaltigen Energietechniken im Portfolio. Wir arbeiten zum Beispiel an der Transformation des Netzes in ein Smart Grid, an neuen IT-Lösungen und an der Integration von Elektromobilität und Wärme in ein nachhaltiges Energiesystem. Wir forschen an der Speicherung – von dezentralen Photovoltaik-Batterien über saisonale Wärmespeicher bis hin zu den 3-Monats-Kavernen, die – auf der Basis von Wasserstoff – eines Tages die nationale Gasreserve ersetzen werden.
Die Forschung wird nicht untergehen, wenn die Photovoltaik in Deutschland erst einmal aufs Abstellgleis gefahren wird. Wir dürfen uns dann nur nicht wundern, wenn eines Tages klar wird, dass da – wie beim Kopierer oder dem Computer – ein Zug abgefahren ist, den wir selbst einmal mühsam angeschoben haben. Es wäre deshalb vernünftig, zumindest die Technologieführerschaft in Europa zu behalten. Es wäre vernünftig die Fernbrille aufzusetzen, um weitreichende Entscheidungen auch mit der nötigen Klarheit treffen zu können: Wir brauchen im Jahr 2050 etwa 10.000 Gigawatt installierte Photovoltaik-Leistung weltweit, wenn wir nur zehn Prozent des Strombedarfs damit decken wollen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Kilowattstunde Photovoltaik-Strom in südlichen Breiten etwa drei Cent (2014) kosten.
Folgen für uns alle
Die Frage ist, will Europa an diesem gigantischen Markt nicht nur als Käufer teilhaben, sondern weiter Technologieführer sein? Will Europa von einem der wichtigsten Zukunftsmärkte für seine eigene Zukunft profitieren? Wollen wir der europäischen Jugend eine Chance geben, sich mit Erneuerbaren Energien einen nachhaltigen Wohlstand aufzubauen und die europäischen Werte mit vitaler Substanz zu füllen? Wollen wir Deutsche unsere Innovationsfreudigkeit und unseren Mut, unangenehmen Wahrheiten mit Konsequenz und Intelligenz zu begegnen, auch in klingende Münze wandeln? Die Antwort muss die Politik geben, müssen Bürgerinnen und Bürger geben. Die Forschung wird weiter an den Wahrheiten forschen und für deren Wahrnehmung werben, indem sie Wenn-Dann-Konsequenzen aufzeigt.
[note Prof. Eicke Weber ist Physiker und leitet seit Juli 2006 das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Vorher war er mehr als zwanzig Jahre lang Professor an der Universität von Berkeley in Kalifornien. Dieser Beitrag, mit freundlicher Genehmigung von Prof. Weber auf Solarify hochgeladen, gibt die Meinung des Autors wieder und wurde zum ersten Mal auf energiezukunft.eu, dem Portal von naturstrom, veröffentlicht.]