Elfjähriger Rhythmus
Die Intensität der Sonnenstrahlung schwankt in einem etwa elfjährigen Rhythmus, parallel zum vermehrten Auftreten und Verschwinden von Sonnenflecken. Die größten von ihnen sind mit bloßem Auge von der Erde aus erkennbar. Schon chinesische Naturforscher hatten vor Jahrhunderten Sonnenflecken beschrieben. Doch erst als auf Satellitenaufnahmen erkannten Astronomen in den 70er-Jahren, dass sich mit dem Zyklus der Sonnenflecken die Strahlungsleistung der Sonne ändert.
Auf der Höhe des Elfjahreszyklus, wenn besonders viele Sonnenflecken zu sehen sind, ist die Sonnenstrahlung am stärksten. Heute weiß man, dass die TSI in dieser Phase um etwa ein Watt zunimmt. Während des Sonnenfleckenminimums wiederum sind dann kaum noch Flecken zu sehen. Die Leistung nimmt in dieser Zeit ab.
Langfristige Trends neben dem Elfjahreszyklus
Ein Watt – das klingt vernachlässigbar. Doch offenbar sind die Auswirkungen auf die Erde beträchtlich. Im 17. Jahrhundert gab es in Europa eine besonders kalte Periode, die man heute als die Kleine Eiszeit bezeichnet – der niederländische Maler Hendrick Avercamp hat Eisläufer und tief verschneite Dörfer gemalt. Zu jener Zeit froren die Flüsse bis weit ins Frühjahr hinein zu; in den Bergen schmolz der Schnee nicht einmal im Sommer. Historische astronomische Aufzeichnungen erwähnen für diesen Zeitraum kaum Sonnenflecken: Die Sonnenaktivität dürfte damals während mehrerer Jahrzehnte sehr gering gewesen sein.
Neben dem Elfjahreszyklus gibt es also auch einen längerfristigen Trend, der das Klima auf der Erde in größeren Zeiträumen verändert. So haben Astronomen Hinweise darauf gefunden, dass die Sonnenstrahlung im Laufe der vergangenen 300 bis 400 Jahre langfristig um rund ein Watt zugenommen haben könnte. Den genauen Wert kennt man bislang aber nicht.
Interessanterweise schwankt die Sonnenstrahlung während des Sonnenzyklus nicht über das ganze Spektrum des Sonnenlichts gleich stark. So beruhen über 50 Prozent der Schwankung in der Strahlungsleistung auf Veränderungen im ultravioletten Licht. Und das wurde lange Zeit in Sonnen- und Klimamodellen nicht berücksichtigt. Die ultraviolette Strahlung reagiert in der Atmosphäre mit Ozonmolekülen und steuert so das Ozongleichgewicht. Außerdem reagiert sie mit Stickstoff und vielen anderen Molekülen. „Wie sich diese Reaktionen im Verlauf des Sonnenzyklus ändern, wissen wir nicht genau“, sagt Natalie Krivova. „Es gibt aber Hinweise darauf, dass in der Atmosphäre Reaktionen ablaufen, die die Wirkung der Strahlungsintensität noch verstärken“, sagt Krivova.
Daher berücksichtigt Krivovas Modell SATIRE (Spectral And Total Irradiance REconstructions) auch die Schwankungen des UV-Lichts. „Zwar hat das UV-Licht nur einen Anteil von acht Prozent an der gesamten Sonnenstrahlung“, sagt sie. „Aber die Schwankungen sind erheblich, und wenn sich der Effekt der UV-Strahlung in der Atmosphäre verstärkt, müssen wir sie in unseren Modellen entsprechend stärker berücksichtigen.“ Damit die Modelle, die natürliche Phänomene wie den Klimawandel oder die Sonnenstrahlung beschreiben, die Realität richtig wiedergeben und zuverlässige Prognosen für die Zukunft treffen, müssen sie mit Messdaten aus der Vergangenheit gefüttert werden. Für die Simulation des Meeresspiegels benötigt man Pegelmessungen, für die Simulation der Sonnenaktivität Strahlungsmessungen und viele andere Sonnenbeobachtungen von Satelliten.
Messungen von Isotopen als Stellvertreter-Daten: C14 und 10Be
Bei der Datenlage haben die Forscher allerdings ein grundsätzliches Problem. Die physikalischen Modelle müssen längere Zeiträume berechnen: Wer wissen will, wie sich Klima und Sonne in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten verändern, braucht deshalb auch Daten, die weit zurückreichen – Jahrhunderte oder besser noch Jahrtausende vor unserer Zeit. In der Regel gibt es aber erst seit wenigen Jahrzehnten zuverlässige Messdaten, mit denen man die Modelle füttern kann. Die Daten, die Natalie Krivova in ihre Modelle einspeist, reichen bis 1974 zurück, die Zählungen von Sonnenflecken bis zu Galilei. Für die Zeit davor behelfen sich Forscher mit Stellvertreterdaten, sogenannten Proxys – auch Natalie Krivova.
Die Astronomin nutzt Messwerte des schweren Kohlenstoffisotops 14C oder des Berylliumisotops 10Be als Stellvertreter. Diese beiden radioaktiven Isotope entstehen in der Atmosphäre durch den Beschuss mit hochenergetischen kosmischen Teilchen, 14C zum Beispiel beim Zerfall eines Stickstoffisotops. 14C geht nach einigen Jahren in den globalen Kohlenstoffkreislauf über, indem es als Kohlenstoff in Pflanzen eingebaut wird. Pflanzen nehmen 14C stets in einem Mengenverhältnis auf, das dem in der Luft entspricht. Mit dem Absterben der Pflanzen endet die 14CAufnahme. Dann sinkt dessen Anteil etwa im Holz eines toten Baums durch den radioaktiven Zerfall des Isotops – bei 14C mit einer Halbwertszeit von 5730 Jahren.
Aus dem 14C-Gehalt von Holzproben heute lässt sich die 14C-Konzentration in der Atmosphäre zu jener Zeit berechnen, als der Kohlenstoff im Holz eingebaut wurde. Dafür müssen Forscher das Alter der Probe kennen. Dieses lässt sich anhand der charakteristischen Jahresringe von Baumstämmen bestimmen, für die es inzwischen weit zurückreichende lückenlose Profile gibt.
Folgt: Sonnenintensität der vergangenen 11.000 Jahre zuverlässig rekonstruiert