Die Sonne als Wandelstern: Strahlungsstärke schwankt…

Sonnenintensität der vergangenen 11.000 Jahre zuverlässig rekonstruiert

Die aus den Holzproben ermittelte atmosphärische 14C-Konzentration zu einer bestimmten Zeit hängt direkt damit zusammen, wie stark die Erde mit energiereichen geladenen Partikeln beschossen wird. Motor für die Schwankungen im Teilchenbeschuss ist das Magnetfeld der Sonne. Denn das wirkt für die Erde wie eine Art Schutzschirm, der den Beschuss durch die hochenergetischen kosmischen Teilchen abschwächt. Wird das Magnetfeld der Sonne schwächer, ist die Erde weniger gut geschützt. Die Stärke des solaren Magnetfeldes beeinflusst auch die Anzahl der Sonnenflecken und die Strahlungsleistung der Sonne. So lassen sich 14C-Messungen von Holzproben nutzen, um die Strahlungsintensität der Sonne zu rekonstruieren.

Ähnlich dienen 10Be-Konzentrationen als Stellvertreterdaten für die Strahlungsintensität. Allerdings sinkt Beryllium aus der Atmosphäre ab und schlägt sich schließlich am Boden nieder. So finden sich historische Berylliumspuren heute tief im Eispanzer von Gletschern auf Grönland und in der Antarktis. Zusammen mit anderen Forschern ist es Krivova gelungen, mithilfe dieser Proxys die Variabilität der Sonnenintensität für die vergangenen 11.000 Jahre seit der letzten Eiszeit im Detail zurückzurechnen. Im Vergleich mit den Modellen anderer Forschergruppen hat sich Krivovas Simulationswerkzeug als sehr zuverlässig erwiesen. Klimamodellierer nutzen es deshalb auch für jene Simulationen, die in den Weltklimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) einfließen.

Fackeln strahlen in der Summe stärker

Doch es geht noch besser, glaubt Krivova. Sonnenflecken und 14C-Proxys sind nicht alles – die Variabilität der Sonnenstrahlung hängt von vielen Faktoren ab. Sonnenflecken entstehen vor allem in Bereichen, in denen das Magnetfeld der Sonne besonders stark ausgeprägt ist. Hier stört das starke Magnetfeld den Wärmetransport aus dem Sonneninnern an den Rand des Gasballons. Die Sonnenflecken sind folglich Stellen in der Sonnenoberfläche, an denen weniger Strahlung abgegeben wird. Deshalb erscheinen sie dunkler.

Man sollte vermuten, dass die Strahlungsleistung der Sonne abnimmt, wenn zum Zyklusmaximum besonders viele Sonnenflecken auftauchen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn während der aktiven Phase entstehen zugleich sehr viele kleinere, helle Bereiche, die vor allem im UV-Licht strahlen. Diese vielen sogenannten Faculae, Fackeln, strahlen in der Summe stärker und machen die Strahlungsdämpfung in den Sonnenflecken mehr als wett.

Anders als Sonnenflecken lassen sich Faculae nur im UV-Bereich entdecken. Forscher nutzen dafür Magnetografen, Spezialinstrumente auf Satelliten, die die Veränderungen im Magnetfeld deutlich sichtbar machen – und damit eben nicht nur Sonnenflecken erspähen, sondern auch die Faculae, denn bei diesen ist das Magnetfeld ebenfalls besonders stark.

Ungehobener Schatz: Fotos im Calcium-II-Band – derzeit präzisestes Strahlungsmodell

Krivova füttert ihr Modell mit den Aufnahmen aus den Magnetografen, den sogenannten Magnetogrammen, und den darin enthaltenen Informationen über die Größe und Stärke der Faculae. Zusammen mit ihrem Doktoranden Kok Leng Yeo ist es ihr auf diese Weise gelungen, das Modell so zu verfeinern, dass es derzeit als das präziseste Strahlungsmodell gilt.

Doch es gibt ein Problem: Anders als für die Sonnenflecken gibt es bislang keine brauchbaren Faculae-Daten aus der Zeit vor der Satellitenära. Magnetogramme ausreichender Qualität gibt es  erst seit den frühen 1970er-Jahren, also noch nicht lange genug. Zusammen mit ihrem Doktoranden Theodosios Chatzistergos will Krivova deshalb einen bislang ungehobenen Schatz nutzen: Vor etwa 100 Jahren begannen Astronomen damit, die Sonne mit einem speziellen Verfahren zu fotografieren.

Sie benutzten dafür Fotoplatten, die nur in einem bestimmten Bereich des Sonnenspektrums empfindlich sind, im sogenannten Calcium-II-Band. In diesem Wellenlängenband strahlen starke Magnetfeldbereiche wie die Faculae besonders hell.
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