Fazit
Szenarien sind wichtige und wertvolle Instrumente im Umgang mit unsicherem Wissen und der Auslotung von Entwicklungsmöglichkeiten. Gerade wenn die betrachteten Gegenstände komplex sind und Zeithorizonte von mehren Jahrzehnten beachtet werden müssen, stellen sie oft die einzigen Mittel der Orientierung dar. Sie bieten die Möglichkeit, das verfügbare Wissen über die unterschiedlichsten Aspekte komplexer Systeme und auch seine Grenzen darzustellen und zu veröffentlichen.
Gleichzeitig können sie Medien der Debatte über wichtige Zukunftsfragen sein. Das gilt sowohl für die Kommunikation innerhalb von Gruppen oder Organisationen als auch für den gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Je nach Methode erlauben sie dabei die Integration unterschiedlicher Wissensbestände und Überzeugungen verschiedener Personen oder gesellschaftlicher Gruppen. Bei der (Um-)Gestaltung des Energiesystems hat man es mit einem solchen Gegenstand zu tun, so dass Energieszenarien dabei grundlegende Ressourcen für die Unterstützung von Entscheidungen und zur Orientierung darstellen.
Energieszenarien sind anspruchsvolle Gebilde. Denn begründete Möglichkeitsaussagen sind keine beliebigen Aussagen. Vielmehr muss bei ihrer Begründung die Konsistenz mit dem verfügbaren und relevanten Wissen nachgewiesen werden. Und gerade wenn es, wie beim Energiesystem, um Aussagen über komplexe Systeme geht, und darüber hinaus nicht nur die Möglichkeiten einzelner spezifischer Perspektiven aufzeigt werden, sondern möglichst umfassendes Beratungswissen generiert werden soll, bedeutet ihre Formulierung und Begründung eine interdisziplinäre Herausforderung. Computermodelle stellen hierbei oft ein unverzichtbares Werkzeug dar, auch wenn sie in Bezug auf die transparente Kommunikation ihres Stellenwerts neue Herausforderungen mit sich bringen.
Belastbare Aussagen auch auf unsicherer Grundlage
Ein Bedarf besteht vor allem daran, die kaum überblickbare Zahl an Energieszenarien und Energiemodellen erfass- und evaluierbar zu machen. Abstrakt beschrieben bedeutet dies, dass Verfahren für einen angemessenen Umgang mit dem mehrdimensionalen und komplexen Möglichkeitsraum zu entwickeln sind, den die zukünftige Entwicklung des Energiesystems darstellt. Die Herausforderung besteht darin, auszuloten, unter welchen Bedingungen robuste Aussagen auch dann getroffen werden können, wenn Möglichkeitsräume nur unvollständig erfassbar sind. Wenn Energieszenarien hilfreiches Beratungswissen darstellen sollen, muss also ein Weg gefunden werden, der praktisch erfolgreich ist, dabei aber die Grenzen des verfügbaren Wissens immer offenlegt.
Dies darf keinesfalls bedeuten, dass auf den Einsatz und die Weiterentwicklung von Methoden zur systematischen Analyse von Möglichkeitsräumen verzichtet wird – selbst wenn sich zeigen sollte, dass prinzipiell nur partielle Analysen möglich sind. So trägt der derzeitig lediglich partielle Einsatz von Sensitivitätsanalysen der Bedeutung dieses Vorgehens nicht ausreichend Rechnung. (Hier scheint es nicht einmal so sehr an verfügbaren numerischen Methoden zu mangeln, als vielmehr an der finanziellen Förderung der Durchführung solcher Analysen auch in Beratungsprojekten.)
Auch breit angelegte Modellvergleichsrechnungen – wie sie heute in der Klimaforschung eingesetzt werden und auch in der Vergangenheit schon für Energiemodelle durchgeführt wurden – können einen wichtigen Baustein für die Weiterentwicklung der etablierten Praxis darstellen.
[note Zwischen 1998 und 2005 wurden fünf sogenannte Modellexperimente am hierfür eingerichteten Forum für Energiemodelle und Energiewirtschaftliche Systemanalysen in Deutschland durchgeführt, in denen mit unterschiedlichen Energiemodellen Vergleichsrechnungen durchgeführt wurden. Das letzte der Experimente ist etwa dokumentiert in FORUM 2007. Etwas Vergleichbares existiert auf internationaler Ebene mit dem Energy Modeling Forum, das von der Stanford University betrieben wird.]
Transparenz verbessern
Den Verfahren für die Auswahl von Szenarien beziehungsweise für die Eingrenzung von Möglichkeitsräumen kommt hohe Bedeutung zu. Diese müssen nicht nur wissenschaftlich valide sein. Werden Szenarioanalysen für außerwissenschaftliche Adressaten durchgeführt, müssen sie auch den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Verwendungskontexte genügen. Energieszenarien werden insbesondere mit dem Zweck veröffentlicht, politische Entscheidungsträger zu beraten. Gerade hier stellt sich also die Anforderung, dass die Auswahl der analysierten Szenarien und insbesondere dabei getroffene normative Festlegungen transparent gemacht werden.
Für Hersteller von Energieszenarien lautet die Kernbotschaft dieses Beitrags, dass ein allererster und für alles weitere notwendiger Schritt darin besteht, die Transparenz von Energieszenario-Studien einschließlich der hierbei eingesetzten Modelle zu verbessern. Diese Anforderung muss auch von den Auftraggebern von Energieszenarien mitgetragen werden. Sie und die Instrumente der Forschungsförderung müssen einen Anreiz zur Herstellung dieser Transparenz setzen. Für die Nutzer und Rezipienten von Energieszenarien bleibt festzuhalten, dass Szenarien für die Analyse der Unsicherheiten, die über die zukünftige Entwicklung des Energiesystems bestehen, und beim Ausloten von Handlungsmöglichkeiten bei dessen Gestaltung weiterhin das Mittel der Wahl darstellen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der ständig anwachsenden Vielfalt von Energieszenarien ist aber unumgänglich.
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