DENEFF-Jahresauftakt-Konferenz: Die Energieeffizienz emotionalisieren
Bisher wird das Thema Energieeffizienz sehr rational betrachtet. Es wird geschaut, wie hoch ist die erzielbare Einsparung, was kostest es und wann habe ich meine Investition wieder eingespart. Diese Betrachtungsweise reicht nicht aus, um erfolgreich am Markt zu sein. In anderen Märkten werden Investitionsentscheidungen auch nicht nur nach rationalen Kriterien getroffen. Auch in der Industrie spielt das Bauchgefühl, zumindest unterbewusst, eine Rolle.
Was sind die eigentlichen Bedürfnisse der Kunden? Kann die Energieeffizienzbranche darauf eingehen, um erfolgreicher zu sein? Das waren die großen Fragen der DENEFF Jahresauftaktkonferenz, die am 25.02.2015 in Berlin, unter dem Motto “Ich sehe was, was Du nicht siehst” stattfand. Ein Bericht von Andreas Kühl von energynet.
Energieeffizienz ist Schutz vor Anstieg der Energiepreise
Bevor ich auf die Inhalte der Veranstaltung eingehe, nochmal zur Einleitung. Bei der heute üblichen Frage, wann man die Investition wieder eingespart hat, stecken zwei Fehler. Diese sehe ich in der Industrie und bei Gebäuden. Die erzielten Einsparungen enden ja nicht, wenn die Investition wieder eingespart ist, sie wirken langfristig.
Und wer eine Amortisationszeit von zwei Jahren fordert, was in der Industrie üblich ist, der möchte eine Rendite von 50% haben! Das sollte man sich vor Augen halten, genauso wie den Schutz vor einem Anstieg der Energiepreise.
Britisches Vorbild der Betrachtung von Konsumentenverhalten
Zurück zur Konferenz am 25.02.2015. Sie begann mit einem Blick ins Vereinigte Königreich. Dort gibt es am UK Department of Energy & Climate Change ein “Customer and behavioural Insight Team”, das sich mit dem Verhalten und der Denkweise der Konsumenten befasst. Bei politischen Entscheidungen muss schließlich berücksichtigt werden, wie die Menschen denken und handeln, so die Idee hinter der einzigartigen Abteilung.
In Deutschland wäre so etwas auch wünschenswert. Nur mit dem Wissen über die Motivation der Menschen und der Denkweise kann man verstehen, wo die Hindernisse liegen für eine Umsetzung von Energieeffizienzstrategie – und wo Hebel wären, an denen man ansetzen könnte. Neben finanziellen Anreizen werden Einführungen in die Bedienung der Heizung durch neutrale Fachleute in England angeboten – ein erster einfacher Schritt zur Energieeinsparung.
Da muss ich gleich mal auf das Abendprogramm kommen. Dies fand, auf Einladung von Knauf Insulation, in der Britischen Botschaft statt. In seiner Rede kam Knauf Insulation-CEO Tony Robson amüsiert auf die deutsche Dauerdiskussion zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung zu sprechen (hat sich das jetzt erledigt?): “Germans love tax relief more than they love sexual relief”
Weg von Kostenbetrachtung zur Emotionalisierung der Energieeffizienz
Zurück zum Tagesprogramm. Wird die Effizienzbranche den Sprung weg von der reinen Kostenbetrachtung schaffen? Kann Energieeffizienz jemals Spaß machen und mit Infotainment verkauft werden?
Noch tut sich die Branche schwer damit, die eigentlichen Bedürfnisse des Kunden zu betrachten. Der Markt ist zu heterogen und der Energieverbrauch alleine ist nicht interessant genug – egal ob in Unternehmen oder im privaten Sektor. Um sich mit Energieeffizienz zu befassen, erfordert es neben finanziellen auch geistige Investitionen – es muss sich jemand damit intensiv auseinandersetzen. Auch dazu muss man bereit sein.
Wichtig fand ich auch die Hinweise, die Branche müsse den Kunden mehr zuhören und sie verstehen lernen. Im Moment ist die Energieeffizienzbranche zu technisch und zu rational. Hinzu kommt, dass die mediale Verunsicherung zu groß ist. Hierauf hat die Branche noch keine Antwort gefunden.
Die Welt gehört denen, die neu denken
Die Customer Insights – das Thema das Tages – müssen auch bei energieeffizienten Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt werden. Es geht also um die Frage nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden. Wenn diese erfüllt werden, kann Energieeffizienz zum Erfolg werden. Oder, wie Prof. Schroiff in seinem abschließenden Beitrag sagte: “Konsumenten-Orientierung ist der Anfang von allem” und weiter: “Die Welt gehört denen, die neu denken”.
Energieversorger stehen unter großem Veränderungsdruck
Damit komme ich zur Customer Experience aus der Sicht eines Energieversorgers. Der frühere Verbraucherschützer Holger Krawinkel, jetzt bei bei MVV in einer neuen Abteilung, befasset sich damit: Was möchte der Kunde von morgen von seinem Energieversorger? In der sich verändernden Branche eine spannende und wichtige Frage, denn der Druck ist groß. Wie kann sich ein Versorger auf die Zukunft einstellen, wenn die reine Lieferung von Strom an Bedeutung verliert – es kann ja jeder Kunde selbst zum Akteur auf dem Markt werden.
Für Krawinkel war es auch wichtig, dass der Energieversorger sich mit Energieeffizienz befasst, denn sonst treten andere Akteure auf den Plan. Die Verbrauchsdaten kennen bald beispielsweise Telekommunikationsanbieter besser als die Energieversorger, wenn diese sich nicht darum kümmern. Energieeffizienz ist vordergründig nicht wichtig für die Kunden und wird in einem Markt mit mehr erneuerbaren Energien an Bedeutung verlieren, es sei denn sie ist mit Komfort verbunden, wie bei LED mit besserem oder angepasstem Licht. Flexible Energieeffizienz wird demnach künftig wichtig werden.
Verleihung des 2. Energieeffizienzpreises Perpetuum
Auch der Energieeffizienzpreis Perpetuum sollte die Kundenwünsche zum Thema haben. Manche der Bewerber hatten allerdings mehr die eigene Brille des Marketings auf als die der Kunden. Aber es waren doch einige gute Ideen dabei, so manche würde ich mir doch gerne genauer ansehen.
Einer kam von evohome von Honeywell, wobei dieser für einige Teilnehmer schon zu verspielt wirkte. Sehr spannend waren auch die Lösungen OnTop der Fachhochschule Frankfurt, die Plusenergie-Aufsatzwohnungen für den Geschosswohnungsbau entwickelt haben, und die Sanierungslösung von Ottensmeier Ingenieure aus Paderborn, die bei der Gebäudesanierung nicht nur die Installationsleitungen nach außen legen, sondern auch gleich die Heizflächen und damit das ganze Haus als Energiespeicher nutzen.
Energieeffizienzpreis geht an Einsparversicherung KlimaProtect und an bettervest
Gewonnen haben den Energieeffizienzpreis zwei Finanzprodukte, für den Preis der Jury und des Publikums, was manche Teilnehmer irritierte. Ist Finanzierung jetzt das große Thema der Energieeffizienzbranche? Für die Kunden ist es immerhin ein wesentliches Thema, da bringt die beste Technik nichts ohne eine attraktive Finanzierung.
Die Jury zeichnete das Konzept der Einsparversicherung KlimaProtect aus. Damit wird für verschiedene Marktteilnehmer eine Absicherung der Investitionen in Energieeffizienz geschaffen. Eine Mindesteinparung ist damit versichert und der finanzielle Erfolg geschützt.
Für das Publikum war, wohl mit großem Vorsprung, die Finanzierung der Energieeffizienz mit Crowdfunding von bettervest der beste Kandidat. Den Publikumspreis konnte bettervest deshalb gewinnen, weil sie mehr als nur die Finanzierung anbieten: Dazu gehört gleich ein Marketingpaket, die Einbeziehung von Kunden und Mitarbeitern und ein Gesamtpaket, das die Energieberatung – und bei Bedarf auch gleich die Umsetzung – mit beinhaltet.
Andreas Kühl ist Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt, ist Faszination und Herausforderung zugleich.
->Quelle: energynet.de/energieeffizienzbranche