Im Zeitalter der Globalisierung kann jeder jedem schaden
Wir leben heute in einer Welt. Das Denken „erste Welt, zweite Welt, dritte Welt“ ist im Zeitalter der Globalisierung ein Denken von gestern. Denn jeder kann jedem schaden. Nur gemeinsam können wir die Überlebensfragen der Menschheit lösen: Frieden schaffen durch Abrüstung und Reduzierung des ABC-Waffenpotenzials – ich sage das als Entwicklungsminister ganz bewusst; das Thema ist in den vergangenen Jahrzehnten etwas beiseite gerutscht –, die Schöpfung erhalten – von der Arktis bis zum Regenwald –, Ernährung, Gesundheit, Energie für alle schaffen, ein Leben in Würde ermöglichen.
In diesem Jahr, dem sogenannten Entwicklungsjahr 2015, werden in der Weltgemeinschaft wichtige Entscheidungen fallen: beim G7-Gipfel in Elmau, beim Klimagipfel in Paris, beim Entwicklungsfinanzierungstreffen in Addis Abeba, beim UN-Gipfel in New York. Es geht um nicht weniger und um nicht mehr als um einen neuen Weltzukunftsvertrag, eine neue Partnerschaft, die wir für die Völker der Erde vereinbaren. Dabei stellt sich die Frage der globalen Gerechtigkeit ebenso wie die neue Frage der weltsozialen Verteilung. Gleiche Rechte für alle Weltbürger – darüber sollten wir uns einmal über diese Debatte hinaus unterhalten. Oder darüber: Wer erhält wie viel vom Kuchen der Erdtafel?
„Der Markt braucht Regeln, Grenzen, soziale und ökologische Vorgaben“
Wenn heute die reichsten 100 Menschen auf der Erde – Oxfam sagt, die reichsten 85 Menschen –, also so viele, wie auf der Besuchertribüne sitzen, genauso viel besitzen wie die 3,5 Milliarden ärmsten Menschen, die Hälfte der Menschheit und wir, die reichen Industriestaaten, die G7, die nicht einmal 20 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, 80 Prozent der Ressourcen des Planeten Erde beanspruchen, dann ist klar: Wir haben ein Gerechtigkeits- und ein Verteilungsproblem. Die Antwort kann nicht ein „Weiter so“ sein, sondern muss „Globalisierung“ heißen. Der Markt braucht Regeln, Grenzen, soziale und ökologische Vorgaben. Das sind spannende Fragen und Prozesse, die über die Tagespolitik hinausgehen. Wir müssen aber diese Fragen und Prozesse, welche über die Zukunft des Planeten und der Menschheit entscheiden, gestalten.
Die Probleme und Zusammenhänge sind global. Sie sind schwierig, aber lösbar. Deutschland leistet einen entscheidenden Beitrag im Rahmen der G7-Präsidentschaft. Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine ehrgeizige Agenda erstellt und geht entschlossen voraus. Das macht sie neben allen tagespolitischen Herausforderungen. Ich habe großen Respekt vor der Bundeskanzlerin, dass sie sich auch diesen grundsätzlichen Themen stellt und hier ihre Verantwortung in der Weltgemeinschaft zeigt.
Deutschland geht in Europa voran. Das geschieht mit einer hier verabschiedeten Nachhaltigkeitsagenda, beim Klimaschutz mit der Finanzierung des Green Climate Fund, im Gesundheitsbereich mit der Finanzierung des GAVI-Fonds sowie in der Entwicklungszusammenarbeit. Wir gestalten die internationalen Prozesse in Freundschaft und Partnerschaft. Vielen Dank, Frau Kollegin Umweltministerin Hendricks. Ein gemeinsamer Auftritt der Bundesregierung in internationalen Gremien führt zum Erfolg.
Im UN-Prozess wurden jetzt 17 Weltentwicklungsziele formuliert. Die Fraktionen haben das in ihren Anträgen dargelegt und dazu Stellung genommen. Wir werden dies natürlich in die Beratungen aufnehmen. Dies ist ein Entwicklungspfad in die Zukunft. Wichtig ist mir, beziehungsweise uns, dass wir unsere Kernbotschaften aus diesen 17 Zielen entwickeln, und dass die Ziele und Unterziele konkret messbar und überprüfbar sind. Das ist etwas Neues gegenüber den Millenniums- und Nachhaltigkeitszielen.
Folgt: „Alle müssen über das Erreichte oder Nichterreichte Rechenschaft ablegen“