Von der Natur lernen – Chemische CO2-Reduktion

2-Grad-Grenze

Ein Grundproblem unseres Energiesystems ist, dass wir die fossilen Energieträger rasant verbrennen und damit einen zusätzlichen Massestrom von CO2 in die Erde (Atmosphäre, Biosphäre, Aquasphäre) emittieren, welcher eine systemische Antwort des stationären Zustandes hervorruft. Wir kennen weder die Mechanismen noch die Zeitskalen genau, auf denen diese Antwort erfolgen wird. Daher einigt man sich politisch und gesellschaftlich darauf, das Experiment, das wir gerade in globalem Maßstab ausführen, möglichst zu begrenzen. Dazu hat man die „2-Grad-Grenze“ definiert, die uns vorgibt, die CO2-Emission so einzudämmen, dass die globale Temperatur nicht über 2 Grad ansteigt. Wir fragen uns, ob die CO2-Reduktion dazu einen erkennbaren Beitrag leisten kann. Dies würde uns die immer noch als sehr problematisch empfundene Alternative der Einsparung von fossilen Brennstoffen, die bisher noch nicht eingetreten ist, zumindest teilweise erleichtern.

Abbildung 1A zeigt schematisch das Problem eines nicht geschlossenen Kreislaufes für Kohlenstoff, das wir durch unsere derzeitigen Energiesysteme erzeugen. In Abbildung 1B ist ein Lösungsansatz für das Problem angegeben. Durch erhebliche Erzeugung elektrischer Energie auf direktem solaren Weg können wir die Nutzung von fossilen Energieträgern so weit reduzieren, dass es möglich wird, das dabei entstehende CO2 im Kreis zu führen: CO2 wird vom Schadstoff zum Rohstoff für die nachhaltige Herstellung stofflicher Energieträger.

Schematische Darstellung heutiger Energiesysteme – © Robert Schlögl

[note Abbildung 1: Schematische Darstellung heutiger Energiesysteme. 1A: Ein offenes System, das durch Verbrennung von fossilen Rohstoffen seine Energie gewinnt und einen erheblichen Strom von CO2 nicht schließt, sondern in die globalen Ökosysteme abgibt. 1B: Ein geschlossenes System, das zur Deckung von Versorgungsschwankungen der solaren Primärenergie in reduziertem Umfang fossile Träger benutzt, aber CO2 im Kreis führt und als stoffliches Transportmedium solaren Wasserstoff verwendet. Dafür benötigt man die CO2-Reduktion als CEC in einer solaren Raffinerie. Die Biomasse dient als Rohstoffquelle und als Sammler für verteilt emittiertes CO2 (mobile Quellen, z. B. Flugzeuge, Schwermaschinen, Schiffe).]

Dazu benötigen wir die CEC und dazu wiederum Wasserstoff als Reduktionsäquivalente, die dem CO2 seine chemische Energie zurückgeben, die bei der erstmaligen Verbrennung fossiler Energieträger entzogen wurde. Ein Energiesystem, das dem Konzept aus Abbildung 1 ähnelt, muss aufgrund der Endlichkeit der fossilen Energieträger ohnehin erstellt werden. Absehbar werden die stofflichen Energieträger so selten, dass ihr Preis zu hoch und somit eine günstige Alternative erforderlich wird. So klar dieser generelle Zusammenhang ist, so unklar sind die quantitativen6 Daten: Wann wird der Preis so hoch, dass fossil zu wertvoll wird?

In Abbildung 1B sind die Systemkomponenten der CO2-Reduktion „H2“ und „solare Raffinerie“ hervorgehoben. Sie stellen Technologiefelder dar, die derzeit noch nicht in der Lage sind, die an sie gestellten Anforderungen zu erfüllen. Dies gilt vor allem für ihre Skalierbarkeit auf Weltniveau und ihre Kostenstruktur. Darin eingeschlossen sind Probleme der Verfügbarkeit von kritischen Rohstoffen für Funktionsmaterialien (wie Edelmetalle) sowie die Kosten für das Recycling.

Generell ist die CEC und damit die CO2-Reduktion eine im Labor durchführbare Methode. Allerdings zeigt sich schnell, dass die Skalierung kein rein technologisches Problem ist, sondern dass wir auf fundamentale Lücken im Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse stoßen, die eine technologische Entwicklung behindern. Als Beispiel sei die Frage genannt, warum wir in vielen Teilschritten Edelmetalle einsetzen müssen, aber trotzdem nicht die benötigte Leistungsfähigkeit erhalten. Die Umsetzung einer Konzeption aus Abbildung 1B im Weltmaßstab ist daher an die Erzielung von fundamentalen Durchbrüchen in der Wissenschaft gebunden. Diese Durchbrüche müssen in Gebieten der Chemie und Physik erfolgen, an denen schon sehr lange geforscht wird. Wir müssen uns darauf einstellen, dass keine schnellen Lösungen zu diesen Durchbrüchen führen werden.

Es sei hier angemerkt, dass selbst die Erzielung der wissenschaftlichen Durchbrüche alleine keine Energiewende ermöglicht. Im Anschluss daran wird eine Umsetzung in Technologie benötigt, die aber nur erfolgt, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Diese wiederum, und das zeigt die Umsetzung der Energiewende in Deutschland zur Zeit der Erstellung dieses Artikels, ist an politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen gebunden, die einen Konsens von Wirtschaft und Gesellschaft erfordern.

Folgt: Künstliche CO2-Senken: Der Purgiernuss-Vorschlag