Von der Natur lernen – Chemische CO2-Reduktion

Fazit

Unterzieht man die hier nicht dargestellten Grundlagen der chemischen CO2-Reduktion genauerer Prüfung, so lässt sich zusammenfassend feststellen, als wie wenig zuverlässig und gesichert selbst das Wissen über einfache Reaktionen der chemischen Energiekonversion betrachtet werden kann. Es erstaunt daher, mit welcher Sicherheit in Expertisen zum Thema Energiesysteme von angenommenen Randbedingungen ausgegangen wird, um den Nutzen oder die Unmöglichkeit einer bestimmten Reaktion aus der Familie der CO2-Reduktionen nachzuweisen.

Muss man aber wirklich die Details chemischer Reaktionen verstehen, um ihren Ablauf zu optimieren? Darauf gibt es keine gesicherte Antwort: Alle Reaktionen der CO2-Reduktion sind nicht so hinreichend genau verstanden, dass wir sagen könnten, wir hätten ein Optimum bei ihrer Durchführung (im Labor) erreicht. Wir nutzen weitestgehend empirisch erarbeitetes Wissen, das mittels hypothetischer einfacher Struktur-Wirkungsbeziehungen und sehr vieler Experimente ein phänomenologisches Optimum findet. Umgekehrt erklären uns Modellexperimente und die Theorie einige Tatsachen, die wir vorher experimentell wussten (warum Kupfer ein guter Katalysator für die CO2-Reduktion zu C1-Molekülen und Eisen ein guter Katalysator zu Cx-Oligomeren Kohlenwasserstoffen ist), aber nicht verstehen konnten. Ohne ein gesichertes und nicht spekulatives Wissen (sic!), können wir aber nicht erkennen, wie vollständig eine Reaktion in unserem gewünschten Sinne ablaufen kann. Die oberste mögliche Grenze wird durch die wohlbekannte Thermodynamik bestimmt. Da wir aber den Raum der Reaktionsbedingungen nicht gut kennen, in dem die besagte Reaktion gut abläuft, ist die thermodynamische Aussage nicht sehr hilfreich. Wir suchen das kinetische Optimum in einem Parameterraum mit vielen Dimensionen, den wir kaum experimentell durchmessen können. Wir definieren notgedrungen Fixpunkte und variieren nur sehr geringfügig einmal gefundene Parameter. So optimieren wir einen Zustand innerhalb des Parameterraumes immer feiner, ohne zu wissen, ob es sich um den bestmöglichen Zustand handelt. Allein wenn wir die Aussage treffen könnten, was denn die bestmögliche Leistung einer Reaktion der CO2-Reduktion ist, wüssten wir, ob wir beispielsweise besser der Biologie oder der chemischen Verfahrenstechnik mit ihren sehr unterschiedlichen Bedingungen folgen sollten, um das Optimum zu erreichen.

Ein gesichertes quantitatives Wissen über die Kinetik einer Reaktion enthält immer auch eine Kenntnis des Reaktionsnetzwerkes. Dies kann uns enorm helfen, wenn es darum geht, die stoffliche Natur des Katalysators zu bestimmen (in wesentlich größerer Detailtiefe als die Wahl des aktiven Elementes) und auch seine räumliche Struktur über viele Dimensionen (makroskopische Form, Korn- und Porenstruktur, Träger-Aktivkomponentenverteilung, mesoskopische Struktur der Oberfläche, atomare Struktur) zu entwerfen; alle diese Dimensionen müssen aufeinander abgestimmt sein, um eine optimale Leistung zu erzielen. Wir könnten zu Architekten chemischer Prozesse werden. Wiederum lernen wir von der Natur, welche exakt dieselben Dimensionen zur Strukturierung ihrer „chemischen Fabriken“ in lebenden Zellen optimiert, aber dazu erheblich andere Wirkprinzipien nutzt, als wir dies in der chemischen Technik tun. Um den Preis der oft noch fehlenden Kontrolle des genauen Ablaufes chemischer Reaktionen vermögen wir diese so zu führen, dass unsere Produktion wesentlich intensiver verläuft als in der Natur, welche dafür eine unerreichte Spezifität aufweist.

Abschließend stellen wir fest, dass wir sehr dringend in der Lage sein sollten, einige Reaktionen der CO2-Reduktion technisch optimiert zu betreiben. Damit können wir die Nachhaltigkeit von Energiesystemen sicherstellen. Trotz eines erheblichen und punktuell sehr detaillierten Wissens dazu fehlen uns immer noch konzeptionelle Zugänge zu einem Entwurf des Ablaufes der gewünschten Reaktionen und zur Vorhersage ihrer optimalen Leistungsfähigkeit. Allerdings können wir erwarten, dass diese Zugänge in überschaubaren Zeiten erarbeitet werden, da wir über die prinzipiellen Techniken verfügen und mit dem Ansporn der Umgestaltung unserer Energiesysteme auch einen mächtigen Treiber für die nötige erhebliche Anstrengung der Wissenschaft haben.

[note Robert Schlögl ist Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin Dahlem und am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim a. d. Ruhr.
Der Artikel erschien zuerst in dem Buch „Die Zukunft des Klimas – Neue Erkenntnisse, neue Herausforderungen“, hrsg. v. Jochem Marotzke und Martin Stratmann, Verlag C.H.Beck – Mit freundlicher Genehmigung des Autors.]

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