Graßl: Kritischer Blick auf das eigene Handeln als Wissenschaftler
Mit kritischem Blick auf das eigene Handeln als Wissenschaftler und die Entwicklungen des Wissenschaftssystems war und ist Hartmut Graßl stets offen für ein neues Denken und für neue Lösungsansätze im Zusammenspiel mit Akteuren jenseits der Forschung. Das Symposium griff dies auf und brachte Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zusammen. Darunter unter anderem Ottmar Edenhofer (PIK), Felix Gruber (DBU), Peter Hennicke (Wuppertal Institut), Martin Khor (South Center), Jochem Marotzke (MPI-M), Dirk Messner (WBGU), Maria Reinisch (Siemens), Ursula Sladek (Dt. Umweltpreis). Ziel war es, tragfähigen Lösungen für die wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels näher zu kommen und sie zu benennen.
Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, zitierte zum Auftakt des Kongresses eine Erkenntnis seines Oxforder Kollegen Myles Allen,: Der Klimawandel sei eine Tatsache, als deren Verursacher der Mensch relativ feststehe – diese Erkenntnis reiche etwa so weit wie die kopernikanische Wende. Marotzke leitete das erste Panel des Symposiums in der Hamburger Universität ein: „Welche Forschung brauchen wir für den Klimaschutz?“ fragte es – die Antwort „nach wie vor Grundlagenforschung“, war Marotzkes Antwort. Denn mit der Erkenntnis, dass der Klimawandel menschengemacht ist, gehe es erst richtig los. „Wir wissen noch viel zu wenig darüber, wie empfindlich das Klimasystem wirklich auf die Emissionen reagiert“ – doch davon hänge es ab, wie viel Treibhausgase eingespart werden müssten, damit die Zwei-Grad-Grenze nicht überschritten werde. Aber er räumte eine erhebliche Bandbreite an Unsicherheit ein, physikalisch und politisch, wo genau die Kipp-Punkte säßen, könne man nach wie vor nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie auch die künftige Klimapolitik der 195 UN-Staaten immer noch unklar sei, und welche „Risiken und Anstrengungen“ akzeptiert würden.
Ottmar Edenhofer widersprach Marotzke (der seinerseits Leitautor bei der Arbeitsgruppe 1 zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels war): Es gebe zwar keine wissenschaftliche, aber eine technologische Unsicherheit, nämlich, inwieweit wir in der Lage sein werden, CO2 aus der Atmosphäre zu nehmen“. Der Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe 3 beim jüngsten IPCC-Bericht mit Klimaschutz als Fachgebiet plädierte ebenfalls für mehr Praxisbezug. Gelinge es nicht, mittels CCS mehr Kohlenstoff aus der Luft zu holen, müsste der Treibhausgasausstoß stärker reduziert werden. Edenhofer hatte bestimmt die einsame Demonstrantin übersehen, die während des nachmitttägigen Kongress draußen vor dem Hamburger Uni-Hauptgebäude ein direkt an ihn gerichtetes Plakat hochielt: „CCS ist ein Anschlag auf die Lebensgrundlagen der Menschheit“.
Edenhofer forderte, 80 Prozent der Kohle müssten im Boden bleiben, 40 Prozent des Gases und 40 Prozent des Öls, wenn wir die 2°-Grenze einhalten wollten: „Wir haben keine Knappheit der Ressourcen, sondern an Raum in der Atmosphäre“. Allerdings sei es zwingend, dass die Vermögenswerte der Besitzer fossiler Ressourcen sänken, wogegen diese sich natürlich wehrten. Deshalb sollten sich nicht nur die Umwelt-, sondern auch die Finanzminister für den Umweltschutz interessieren, fordete Edenhofer und forderte eine CO2-Steuer – wie kürzlich Klaus Töpfer und Ernst Ulrich von Weizsäcker, Letzerer moderierte das Panel und merkte an, sie hätten zusammen versucht, das Thema in den Bundestag zu bringen, der sei aber „desinteressiert“ gewesen. Edenhofer hatte diesen Umstand bereits antizipiert: Damit die Erkenntnisse der Wissenschaftler nicht nur „Elaborate aus dem Elfenbeinturm“ blieben, bedürfe es eines „intensiveren Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik“.
Folgt: Dialog institutionalisieren