Dialog institutionalisieren
Guy Brasseur, Vorsitzender des Gemeinsamen wissenschaftlichen Ausschusses (JSC) des Weltklimaforschungsprogramms (WCRP), verlangte, dass dieser Dialog „institutionalisiert“ wird. Er sei fünf Jahre lang Abgeordneter in Belgien gewesen und habe dabei die Erfahrung gemacht, dass viele Politiker durchaus „offen“ seien, die Wissenschaft aber oft nicht verstünden und nicht wüssten, wie sie etwas umsetzen sollten. Brasseur nannte die noch aktuellen Forschungsgegenstände:
- Meeresspiegeländerungen besser verstehen
- Wechsel in der Kryosphäre untersuchen
- Wasserstabilität, -versorgungssicherheit und -verfügbarkeit
- Wolken-Zirkulation und Klima-Sensibilität
- Klima- und Wetterextreme seien zentral für das WCRP
Man müsse besser auf die Zeitskalen Rücksicht nehmen: Sie hätten oft über sehr lange Skalen gearbeitet, aber die Stakeholder wollten doch wissen, was in zwei, fünf, zehn Jahren geschehe.
Ulrich Hoffmann, Chefökonom nachhaltige Entwicklung am Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) bezeichnete die globale Landwirtschaft als klimaintensiv – sie sei für 30 % des Klimagasausstoßes verantwortlich, obwohl sie nur 3% Anteil an der Weltwirtschaft habe, zähle man Verarbeitung, Vermarktung und Transport dazu, erhöhe sich dieser Wert auf über 40 %. Er könne bis 2030 auf 60 % steigen, wo er doch eigentlich gesenkt werden müsste. Zwei Drittel davon (und mehr) gingen auf das Konto der Entwicklungsländer. Eine der brisanten Fragen der internationalen Politik sei es, dass 90% an die Kohlenstoffaufnahme des Bodens geknüpft seien. In der Folge sei die Verhinderung von Bodenverlust, von [[CO2]]-aufnehmenden Böden wichtig, [[CO2]]-Senken müssten gestärkt werden, die Stärkung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sei von größter Bedeutung. Dabei könne man nur Erfolg haben, wenn die entscheidenden Strukturprobleme angegangen würden: industrielle Viehwirtschaft, Verwertung von Bioreststoffen, Reduzierung des Fleisch- Verbrauchs und der Lebensmittelabfälle.
Diskussionsleiter Ernst Ulrich von Weizsäcker wies darauf hin, dass bisher immer nur von den fossilen Energien gesprochen worden sei, jetzt rücke die Landwirtschaft in den Mittelpunkt. Der Unterschied: die Subventionen in Landwirtschaft (bei den Fossilen sei es klar: da müsse es einfach Nein heißen). Die Erkenntnisse der Wissenschaft forderten andere politische Entscheidungen – aber wie erreichen?
Hoffmann: Die Landwirtschaft habe eine Besonderheit: Es lägen viele Technologien sofort einsetzbar in den Schubladen, die Landwirtschaft sei gegenwärtig sehr kohlenstoffabhängig – das könne man ändern durch kleinere Einheiten, breiter aufgestellt, vieles könne autark geschehen. Diese Landwirte seien dann aber nicht mehr Kunden der Konzerne (für Saatgut, Dünger und Chemie). Doch die Lobbyisten der Unternehmen verfolgten die Linie der EVU: Zentral, wenige kontrollieren alles. Das ändere sich nur langsam, doch das Ziel müsse sein: Dezentral auch in der Landwirtschaft.
Edenhofer nahm die Politik in Schutz: In der Landwirtschaft sei „das Dekarbonisieren schwerer als im Energiesektor“. Die Kernbotschaft im 5. Sachstandsbericht des IPCC laute: weg von Stromsektor, hin zu Urbanisierung der Landwirtschaft, die „Grüne Stadt“.
Laut Weizsäcker ist die [[CO2]]-Intensität ein steigendes Problem der Landwirtschaft im politischen Raum. Zudem kämen aus den USA Vorschläge des Climate Engineering als „große Verheißung“; hier seien anfängliche Schaden-Nutzen-Überlegungen zur Schadensbegrenzung wichtig – der amerikanische Optimismus sei wissenschaftlich nicht haltbar. Es drohe für manche „Vermögensentwertung durch halbwegs klimafreundliche Politik, und die Verlierer werden alles daran setzen, dass Verluste vermieden werden.