Gabriels Klima-Cent

Energieminister Gabriel hat eine erstaunliche Wende vollzogen: Argumentierte er bisher, in Deutschland eingespartes CO2 würde lediglich woanders zusätzlich ausgestoßen, hat er sich mit seinem Eckpunktepapier „Strommarkt” offensichtlich eines Besseren besonnen. Der Think Tank Agora Energiewende erklärte in einer Analyse, warum dieses abgegriffene, dessen ungeachtet aber gleichwohl von kohle-affinen Strom-Produzenten immer wieder gern genommene Argument nicht greift.
Der europäische Emissionshandel ETS krankt derzeit an Fettleibigkeit – einem massiven Zertifikate-Überschuss von satten 2,1 Milliarden – und das, obwohl die EU bereits 900 Millionen aus dem Markt genommen hat (Backloading – siehe: solarify.eu/backloading). Dieser Überschuss werde in den nächsten Jahren noch weiter wachsen, so Agora – aus zwei Gründen: Die Vergabe von Zertifikaten sei erstens für die kommenden Jahre bereits festgelegt und die europäischen CO2-Emissionen würden zweitens eher sinken. Maßnahmen wie die inner- und außerhalb der Koalition umstrittenen Eckpunkte würden aber zunächst lediglich den Zertifikate-Überschuss steigern, nicht jedoch die Emissionen in Europa – so Agora. Denn andere europäische Klimasünder müssen die Zertifikate erst einmal kaufen. Die klimapolitisch relevante Frage sei nun, „was mit dem Überschuss geschieht“. Zentraler Mechanismus dieser eben in der EU intensiv verhandelten Reform ist die so genannte Marktstabilitätsreserve (MSR – siehe solarify.eu). Diese soll das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage dadurch beheben, dass die überschießenden Zertifikate automatisch abgeschöpft  und in einer Reserve aufgehoben werden.
Die Frage ist nur, wann sie in Kraft tritt: Schon 2017 (man könnte auch sagen „erst“ 2017) oder gar erst 2021, wie im Kommissionstext von 2014 vorgeschlagen. Wenn sie funktioniert (und nicht erst eingeführt wird, nachdem das Kind bereits unrettbar im Brunnen ist) entkräftet die MSR das Emissions-Verlagerungs-Argument: Gabriels Klima-Cent (man denke an den seit 1974 abgeführten Kohlepfennig, 1995 vom Verfassungsgericht abgeschafft) für die Dreckschleudern, der in Wirklichkeit (mit 0,2 ct/kWh) nur ein Fünftel-Cent ist, führt dann nicht mehr zu einer Verschiebung der Emissionen woanders hin in Europa, sondern kommt wirklich dem Klima zu Gute. Noch dazu soll er in Zertifikaten abgegolten werden, die dann gelöscht werden. Agora: „Dies bedeutet: Wenn Kohlekraftwerke über ihren Freibetrag hinaus [[CO2]] emittieren, werden zusätzliche [[CO2]]-Emissionsrechte vom Markt genommen werden. Geht man im Jahr 2020 von einem [[CO2]]-Preis von etwa 10 €/t aus, dann würde ein Klimabeitrag von 20 €/t dazu führen, dass für jede über den Freibetrag hinaus emittierte Tonne [[CO2]] zusätzlich zwei EU-Emissionshandelszertifikate gelöscht würden. Auch dies würde zum Abbau des Überschusses beitragen.“ Die Bundesländer sollten das jetzt gefälligst nicht verwässern. -Gerhard Hofmann-