Chemiker brauchen die Bindungsenergie des eintauchenden Elektrons
Die Forscher haben zum einen ermittelt, mit welcher Energie das nackte Elektron gebunden ist, unmittelbar nachdem es ins Wasser eintaucht und seine Ladung noch nicht mit den positiven Polen von Wassermolekülen abgepuffert ist. Demnach ist ein solches Elektron deutlich schwächer gebunden als selbst die äußeren Elektronen der Alkalimetalle wie Natrium oder Kalium, die wegen der niedrigen Bindungsenergie ihrer Elektronen auch schon extrem reaktiv sind. Zum anderen haben die Forscher festgestellt, dass es nur 22 Femtosekunden dauert, bis das Elektron beginnt, Wassermoleküle um sich zu versammeln – eine Femtosekunde ist der Millionste Bruchteil einer Milliardstel Sekunde.
Das enorme Tempo des Prozesses erklärt, warum Wissenschaftler die Bindungsenergie des Elektrons direkt nach seinem Eintauchen ins Wasser bislang nicht messen konnten. „Diese Information ist für Chemiker jedoch wichtig, wenn sie Reaktionen mit gelösten Elektronen fördern oder verhindern wollen“, erklärt Julia Stähler. Denn genau diese Energie entscheidet, ob der erste Schritt einer Reaktion mit gelösten Elektronen stattfindet oder nicht: Wenn eine Substanz ein Elektron ans Wasser abgibt, muss es die Bindungsenergie eines Elektrons mitbringen, das gerade im Wasser eintaucht.
Das Team der Physikerin hat die Erkenntnisse über den Tauchgang des Elektrons mithilfe der sogenannten zeitaufgelösten Zwei-Photonen-Photoelektronen-Spektroskopie (2PPE) gewonnen. Bei der 2PPE katapultiert Licht Elektronen aus ihrer atomaren Umgebung heraus. Aus der Energie des Lichts und der Bewegungsenergie des davon fliegenden Elektrons, lässt sich seine Bindungsenergie bestimmen. Zwei Photonen erlauben es dabei, die Bindungsenergie in Zuständen zu messen, die Elektronen gewöhnlich nicht und wenn, dann nur mit einem Energieschubs, einnehmen. In einem solchen Zustand befindet sich ein Elektron, unmittelbar nachdem es ins Wasser eintaucht.
Folgt: Ein Modell aus Eis mit der Struktur von flüssigem Wasser