Ein Modell aus Eis mit der Struktur von flüssigem Wasser
Um die Bindungsenergie der tauchenden Elektronen zu ermitteln, verwendet das Team um Julia Stähler ein Modell von Wasser: Eine dünne Schicht Eis, in der die Wassermoleküle aber nicht wie in gewöhnlichem Eis, sondern ähnlich wie in flüssigem Wasser angeordnet sind, nämlich amorph. Diese dünne Eisschicht erzeugen sie auf einem Kupferplättchen. Aus dem Kupferplättchen schlagen die Forscher mit einem ersten sehr kurzen Laserblitz nun zunächst ein Elektron heraus, das daraufhin in die amorphe Eisschicht eindringt. Dann jagen sie auf ihre Probe einen zweiten Laserpuls, der das Elektron auch aus der Eisschicht schleudert. Den zeitlichen Abstand zwischen den beiden Laserblitzen stellen sie gezielt, mit der Genauigkeit von Femtosekunden ein. Dank dieser Zeitauflösung können sie verfolgen, wie lange das Elektron in dem Zustand verweilt, in dem es noch nicht von den Wassermolekülen gelöst ist.
Auf diese Weise fand das Team zudem heraus, dass ein Elektron auch direkt – also sogar ohne den Zeitverzug von 22 Femtosekunden – im gelösten Zustand landen kann, in dem die Wassermoleküle seine Ladung ausgleichen. „Damit beantworten wir die Frage, ob sich ein Elektron im Wasser sein eigenes Potenzialloch gräbt oder in ein zumindest kleines Loch fällt, das bereits existiert.“, sagt Stähler. Ein Potenzialloch entsteht, wenn die Dipole der Wassermoleküle so ausgerichtet sind, dass ihre positiven Pole das negativ geladene Elektron einhüllen. „Wenn das Elektron direkt in einem solchen Potenzialloch landen kann, muss es das natürlich schon vorher geben“, sagt die Physikerin. Würde das Elektron sein Potenzialloch erst erzeugen, drehten die Wasserdipole ihre positiven Pole erst zu ihm hin, sobald sie es wahrnehmen. Und das würde zumindest eine kleine Weile dauern. Allerdings vertieft ein Elektron das bereits vorhandene Loch, in dem es Platz gefunden hat, noch.
Stähler ist überzeugt, dass sich die Erkenntnisse aus der Studie an dem Modellsystem weitgehend auf flüssiges Wasser übertragen lassen: „Der absolute Wert der Bindungsenergie kann natürlich abweichen. Der Löseprozess dürfte in Wasser aber genauso schnell und auf dieselbe Weise stattfinden wie in unserem Modellsystem.“ Daher erforschen die Berliner Max-Planck-Forscher am amorphen Eis weiter, wie Elektronen im Wasser eintauchen. So bestimmen sie nun etwa, wie weit das Elektron ins Wasser eindringt, ehe es von den Wassermolekülen beeinflusst. Denn auch diese Erkenntnis gäbe Chemikern Anhaltspunkte, wie sie Reaktionen in Wasser beeinflussen können.
->Quelle: mpg.de