Wieso hängen Sie sich so rein in das Thema? Was ist Ihre Motivation?
Durch mein Zusatzstudium „Energiewirtschaft“ beschäftige ich mich seit bereits 20 Jahren mit dem Thema Energie. Auch wenn die Studienbezeichnung anderes vermuten lässt, hatte das Studium nicht die konventionelle Energieerzeugung im Fokus, sondern entwickelte nach den Erfahrungen und Erkenntnissen durch Tschernobyl, sowie des ersten Umwelt- und Klimagipfels in Rio, als auch der Diskussion um die Grenzen des Wachstums andere Lösungsmodelle.
Spätestens Tschernobyl und Fukushima zeigten, dass eine Technologie, die über so lange Zeiträume Regionen unbewohnbar macht, über das Erbgut auch noch Folgeschäden etliche Generationen später mit sich bringt, sowie zugleich tagtäglich neuen Atommüll produziert, dessen Endlagerungsproblematik bis heute ungelöst ist, der falsche Weg ist. Gleichzeitig sind bei wachsendem Energiehunger weltweit die fossilen Ressourcen begrenzt, nehmen Verteilungskämpfe und Kriege zur Sicherung von Energietransportwegen zu und werden die Folgen des Klimawandels immer deutlicher. Wer Kinder hat, fragt sich: In welcher Welt werden meine Kinder leben?
Was muss sich ändern?
Wir sind gezwungen, Antworten auf diese Herausforderungen zu haben. Die Kombination aus einer Effizienzrevolution, sowie Energieerzeugung der Restenergie aus erneuerbaren Energien ist für mich der Weg, der viele Probleme auf einmal lösen kann. Die erneuerbaren Energien haben mich von Beginn an fasziniert.
Henrik Paulitz von der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW brachte es für mich auf den Punkt. „Die richtige Technik kann Rückwirkung haben auf Gesundheit, Sicherheit, Demokratie, Teilhabe, Wohlstand und Frieden“. „Die Erschließung und Sicherung von Bodenschätzen, Märkten und weiten Energietransportwegen mit militärischer Gewalt erübrigt sich, wenn die erneuerbaren Energiequellen vor Ort genutzt werden“ Der Titel des IPPNW Faltblatts zu einer dezentralen, erneuerbaren Energieversorgung lautet nicht umsonst: Was ist sicher, preiswert und fördert den Frieden?
Wer hat sie energiepolitisch besonders beeindruckt oder mitgeprägt?
Ich lernte Hans-Josef Fell kennen oder erlebte auch immer wieder Herrmann Scheer auf seinen mitreißenden Vorträgen. Und mir wurde klar, dass es bei der Energiewende um eine Energiequelle geht, die dezentral auftritt und demnach dezentral genutzt werden muss. Diese Dezentralität bewirkt zugleich auch eine Demokratisierung unserer Energiewirtschaft. Während von einer dezentralen Energiewende alle wirtschaftlich profitieren können, machen bei zentralisierten Großkraftwerken mit Energie-Ferntransporten nur wenige Konzerne das Geschäft. Ich halte es bei einem so wichtigen Schlüsselelement unserer heutigen Gesellschaft, wie Energie, für fahrlässig, diese einer demokratischen Kontrolle zu entziehen und zunehmend weltweit verteilten Großaktionären großer Aktiengesellschaften und beteiligter Investmentfonds zu überlassen.
Daher engagiere ich mich so stark für eine Energiewende in Bürgerhand, bei der meiner Meinung nach kommunale Stadtwerke eine besonders wichtige Rolle haben.
Was ist Ihr Hintergrund? Woher kommt Ihr energiepolitisches Engagement?
Ich bin in der Nähe eines Atomkraftwerkes aufgewachsen. Als ich acht war, hörte ich von meinem Grundschullehrer zum ersten Mal das Wort Atomkraftwerk. Als ich 15 war, ging es ans Netz. In dieser Woche schrieben wir passend zur Inbetriebnahme einen Schulaufsatz über Atomenergie, in dem wir dazu angehalten waren, Vor- und Nachteile darzulegen, als auch abschließend klar unsere eigene Meinung argumentativ darzulegen. Dies war im Rückblick beachtet, mein erster energiepolitischer Fachartikel.
Mein Deutschlehrer war entzückt und wunderte sich sehr über die vielen Detailinformationen, die im Aufsatz enthalten waren. Damals gab es noch kein Internet und kein Google. Ich war regelmäßige Besucherin der Stadtbücherei und vergrub mich in Fachliteratur.
Als einige Jahre später die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geschah, stand ich genau wie viele andere Menschen meines Alters regelrecht unter Schock, als wir ängstlich den Wetterbericht verfolgten, wann der Fallout der über Europa wandernden Wolke kommen würde, als wir genau an diesem Tag dann doch prompt in den Regen kamen, als die Wolke herunter regnete, als wir keine frische Milch mehr trinken durften, als Kinder nicht auf die Spielplätze durften und das Gemüse auf den Feldern aufgrund der Kontamination vernichtet werden musste.
Kein Wunder, dass Sie beruflich in die Solarwirtschaft gegangen sind, oder?
Ich weiß sehr genau, warum ich mich vor mehr als 20 Jahren entschloss, mich nicht mehr nur ehrenamtlich für eine atomenergiefreie Zukunft einzusetzen, sondern auch beruflich am dezentralen, erneuerbaren Umbau der Energieversorgung mitzuwirken. Mein „Heimat-AKW“, kam 2011 kurz vor Fukushima zu trauriger Berühmtheit, als herauskam, dass der Betreiber E.ON seine Kenntnis über einen Mikroriss in einer Leitung des Primärkreislaufs – also in unmittelbarer Nähe des Reaktorkerns – der Bevölkerung ganze zehn Jahre verschwiegen hatte. Die Kinderkrebsrate ist in dieser Region – genau wie an vielen anderen AKW-Standorten auch – erhöht. Sie erreichte zeitweise einen Wert von 20 Prozent über dem Landesdurchschnitt.
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