Studie: EU-Kommission rechnet Klimawirkung von Agrosprit schön. Verbände fordern Senkung der Beimischungspflicht
Die EU-Kommission rechnet falsch bei der Klimawirkung von Agrartreibstoffen – das behaupten jedenfalls Wissenschaftler unter anderem der Universität Princeton und der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission in einer kürzlich veröffentlichten Studie laut einer gemeinsamen Pressemitteilung von BUND, Rettet den Regenwald e.V. und des INKOTA-netzwerks. Untersucht wurden die drei wichtigsten Modelle zur Berechnung der Treibhausgasemissionen von Agrosprit, mit welchen u.a. die EU-Kommission das Ziel einer höheren gesetzlichen Beimischungsquote begründet.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Rettet den Regenwald e.V. und das entwicklungspolitische INKOTA-netzwerk fordern nun ein konsequentes Umsteuern in der Agrospritpolitik der EU. Die Treibhausgasemissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen müssten vollständig in die Klimabilanz von Agrarkraftstoffen einbezogen werden. Agrosprit leiste keinen Beitrag zum Klimaschutz, sondern weise bei korrekten Berechnungen zumeist sogar eine negative Treibhausgasbilanz auf. Daher müsse das Parlament am 29. April 2015 für eine möglichst niedrige Beimischungspflicht stimmen.
Die EU-Kommission geht der Studie zufolge bislang von einem verringerten Ausstoß an Treibhausgasen bei Agrosprit aus Raps, Mais und Weizen aus. Den Modellen liege die Annahme zugrunde, dass Energiepflanzen den Anbau von Nahrungsmitteln ersetzen. Nicht berücksichtigt werde, dass Weizen und Mais auch für Lebens- und Futtermittel benötigt werden und ihr Anbau zusätzliche Flächen in Anspruch nehme. „Die Klimagas-Rechenmodelle der EU unterstellen, dass die von Agrosprit verdrängten Lebensmittel gar nicht gebraucht werden und Menschen und Tiere folglich weniger [[CO2]] ausstoßen“, sagte die BUND-Agrarexpertin Katrin Wenz. In die Klimabilanz müsse jedoch eingerechnet werden, dass Agrosprit bis zum Jahr 2020 zu einer Umwandlung von natürlichen Ökosystemen in Agrarflächen im Umfang von bis zu 69.000 km² führen könne. Dadurch könnten zwischen 27 und 56 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr freigesetzt werden.
„Agrosprit schadet dem Klima- und Artenschutz weltweit und erhöht den Bedarf an Flächen zulasten der Nahrungsmittelproduktion“, sagte Wenz. „Intakte Naturräume werden umgepflügt, Wälder abgeholzt und Monokulturen mit hohem Pestizideinsatz ausgeweitet. Diese negativen Auswirkungen dürfen nicht länger schöngerechnet werden. Der steigende Lebensmittelbedarf einer wachsenden Weltbevölkerung muss Vorrang haben. Eine EU-Agrospritpolitik, die ihre Wirkung auf den Lebensmittelsektor ignoriert, ist verantwortungslos. Probleme, die sich schon heute durch Agrartreibstoffe ergeben, werden noch verschärft“, so die BUND-Expertin.
„Zynischer kann Agrospritpolitik nicht begründet werden“, sagte Jan Urhahn, Landwirtschaftsexperte von INKOTA. „Die EU-Agrospritpolitik trifft in erster Linie arme Menschen im globalen Süden hart. Hunger und Armut nehmen zu, wenn Nahrungsmittelpreise infolge der Konkurrenz um knappe Anbauflächen, Wasser und Rohstoffe steigen. Oft kommt es zu Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen bei der Erschließung neuer Anbauflächen“, so Urhahn.