MPG startet Forschungsprogramm zur Synthetischen Biologie
Seit es die Biologie gibt, beschäftigt sie sich mit dem Leben. Doch bis heute ist nicht klar, was dieses im Kern eigentlich ist. Geschweige denn, wie es entstand. Zur Klärung dieser Fragen möchten die Forscher von MaxSynBio beitragen. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Präsidenten Martin Stratmann und Vertretern des BMBF haben sieam 16.04.2015 im Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin ihr Forschungsprogramm vorgestellt.
Neue Anwendungen für Energiewirtschaft
„Ich bin überzeugt, dass die große Investition, die hier vom Bundesforschungsministerium und der Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam getätigt wird, neue grundlegende Erkenntnisse zum Phänomen des Lebens hervorbringen wird“, sagte Martin Stratmann. Darüber hinaus möchten die Wissenschaftler die Basis für neue biotechnologische Anwendungen etwa in der Medizin und Energiewirtschaft legen. Zum Forschungsprogramm gehört zudem ein Projekt, das die Wissenschaft aus ethischer Perspektive hinterfragt und erforscht, welche Akzeptanz die Synthetische Biologie in der Bevölkerung findet.
Die Wissenschaftler, die sich zum Forschungsnetzwerk MaxSynBio zusammengeschlossen haben, verfolgen ein ehrgeiziges Ziel: Sie wollen künstliche Zellen, die natürliche Funktionen nachahmen, aus deren Komponenten konstruieren. Auf diese Weise möchten sie Erkenntnisse über eine mögliche Protozelle gewinnen. Wenn sie existiert hat, war solch eine Protozelle Urahn aller lebenden Zellen. „Wir können mit unserer Forschung vielleicht einmal die Frage nach dem Ursprung des Lebens beantworten“, sagt Petra Schwille, Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie und Koordinatorin von MaxSynBio. Die Forscher betrachten die biologischen Vorgänge dabei aus der Perspektive von Ingenieuren: Die Zelle wird so zu einer Maschine, die sich aus verschiedenen Modulen, nämlich Proteinen, Genen oder ganzen Stoffwechselkreisen zusammensetzt.
Das Forschungsnetzwerk MaxSynBio, in dem sich 13 Forschungsgruppen von neun Max-Planck-Instituten und von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zusammengeschlossen haben, wurde seit vergangenem Sommer aufgebaut und beginnt nun mit der wissenschaftlichen Arbeit. Aus diesem Anlass haben sich die Partner von MaxSynBio und Vertreter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Berliner Harnack-Haus zu einem Festakt versammelt. Das BMBF fördert das Programm zunächst über drei Jahre im Rahmen des Strategieprozesses „Biotechnologie 2020plus“ .Die Förderung setzte das BMBF nach Beratungen mit der MPG, den anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Universitäten und Biotechnologie-Firmen um. „Ich freue mich, dass sich die großen Forschungsorganisation an diesem Dialogprozess beteiligt haben“, sagt Bärbel Brumme-Bothe vom BMBF.
Synthetische Biologie zielt auch auf die Anwendung
Biologie nach dem Baukastenprinzip: Die Wissenschaftler von neun Max-Planck-Instituten und der Friedrich-Alexander-Universität konstruieren zell-ähnliche Strukturen und letztlich künstliche Zellen, die Struktur und Funktion biologischer Zellen nachahmen, aus unbelebten biochemischen Bausteinen. Sie wollen auf diese Weise nicht nur die Basis für diverse Anwendungen in der Biotechnologie schaffen, sondern auch die Grundprinzipien des Lebens und dessen Entstehung verstehen.
Die Forscher von MaxSynBio wollen mit ihrem Blick aus der Ingenieursperspektive auf biologische Systeme auch neue Möglichkeiten der Anwendung erschließen. „Die Hoffnung ist, dass man künstliche Zellen maßschneidern kann, die nicht jene Nachteile natürlicher Zellen für die biotechnologische Produktion haben“, sagt Kai Sundmacher, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg und zweiter Koordinator von MaxSynBio.
Das Vorgehen in der Synthetischen Biologie ermöglicht es nämlich, die komplexen biologischen Vorgänge viel umfassender zu beeinflussen als bisher. So lassen sich synthetische Zellen mit Fähigkeiten ausstatten, die sie von Natur aus nicht besitzen. Neben dieser Optimierung ist es auch möglich, Nachteile natürlicher Systeme in der biotechnologischen Produktion zu reduzieren – beispielsweise, wenn Mikroorganismen die gewünschten Stoffe zwar bilden, aber bei der großtechnischen Produktion Probleme auslösen, weil sie in Reaktoren etwa leicht ausflocken. Und tatsächlich haben Forscher Einzeller beispielsweise dazu gebracht, den Wirkstoff Artemisinin gegen Malaria herzustellen, der bislang aus einer Pflanze gewonnen werden muss.
Geisteswissenschaften beteiligt
Eben wegen der ambitionierten Ziele der Synthetischen Biologie und ihrer Möglichkeiten stehen jedoch nicht nur Naturwissenschaftler aus Biologie, Chemie oder Physik und Ingenieure vor großen Herausforderungen, sondern auch Geisteswissenschaftler – und die ganze Gesellschaft. Denn wer eine Expedition zur Grenze des Lebens antritt, diese möglicherweise verschiebt und sich komplexe biologische Systeme nutzbar macht, betritt auch unter ethischen, rechtlichen und sozialen Gesichtspunkten Neuland.
Die Akteure auf dem Feld der Synthetischen Biologie – Wissenschaftler von Biologen bis Juristen, aber auch Forschungspolitiker – sind sich dessen bewusst und stellen sich den damit verbundenen Auseinandersetzungen. Nur so sorgen sie dafür, dass mit den möglicherweise bahnbrechenden Erkenntnissen und Fortschritten der Synthetischen Biologie verantwortungsvoll umgegangen wird und dass diese von der Gesellschaft akzeptiert werden. „Die Frage, wie wir in der Gesellschaft Akzeptanz, für solche neuen Technologien schaffen, halten wir für sehr wichtig“, sagt Bärbel Brumme-Bothe. Wie die Synthetische Biologie als ethisch besonders relevante Forschung wahrgenommen wird, ist eine Forschungsfrage, der die Gruppe von Peter Dabrock, Professor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, im Rahmen von MaxSynBio nachgeht.
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