Planwirtschaftliche Ausschreibungen schaffen das EEG und damit die Energiewende ab
Bei der Solarenergie wurden diese Folterinstrumente ausprobiert und sollen nun auf die Windkraft übertragen werden, die gerade deshalb im Moment einen sich selbst strangulierenden Boom erlebt. Denn alle Projektierer und Investoren haben Angst, dass mit dem zubauabhängigen „atmenden Deckel“ nach Solar nun auch der Windkraft die Puste ausgeht. Doch die Politik hält der Windbranche – wie der in 2014 fast ausgestorbenen Solarbranche – die rettende Wurst vor die Nase: Auch für die Windkraft sollen Ausschreibungen ab 2017 kommen.
Ausschreibungen bedeuten Zubauquoten, die im schlimmsten Fall – wie bei der Solarfreifläche – per Regierungsverordnung herunter deckeln. Investitionsautonomie ist damit endgültig perdu, willkommen in der planwirtschaftlichen Steuerung. Anders als in der kommunistischen Sowjetunion wird kein 5-Jahres-Plan aufgelegt, es geht um noch kürzere Planhorizonte wie dem 3-Jahres-Plan bei der Solarfreifläche. Damit ist der staatliche Einfluss auf die Erneuerbare Wirtschaft noch enger getaktet als in der klassischen Planwirtschaft.
Nur mit sozialem Verstand geht die Energiewende weiter
All dies zeigt: Für die Energiewende brauchen wir neben technischem und energiewirtschaftlichem auch sozialen Verstand. Gerade einmal 5 Prozent der Investitionen in den Ausbau Erneuerbarer Energien stammen von den großen Energiekonzernen. Wer das EEG mit planwirtschaftlichen Ausschreibungen abschaffen und auf die Konzerne zuschneiden will, wird das Ende der Energiewende erleben.
Die alte Energiewirtschaft will nach wie vor ihre Großkraftwerke auslasten und große HGÜ-Trassen quer durchs Land bauen. Da stören dezentrale Erneuerbare, die den Kuchen für die Großen verkleinern. Viele politische Kräfte wollen unter dem Etikett „Energiewende“ den Ausbau der Erneuerbaren so eindampfen, dass eine Koexistenz mit Kohlegroßkraftwerken möglich ist. Das ideale Instrument dafür sind planwirtschaftliche Ausschreibungen, bei denen Minister am Parlament vorbei Kürzungsquoten festlegen können.
Hermann Scheer hat diesen zentralen Konflikt zwischen neuer und alter Energiewirtschaft in seinen Büchern glasklar ökonomisch herausgearbeitet. In seinem letzten Buch „Der energet(h)ische Imperativ“ (2010) hat er kurz vor seinem Tod nochmals klargestellt, dass wir wegen dieses Konflikts für eine konsequente Energiewende solange das EEG brauchen, bis keine fossil-atomaren Energieträger mehr im Spiel sind, wenn also 100 % Erneuerbare geschafft sind.
Wenn heute Kanzlerinnen, Minister oder Ministerialbeamte behaupten, das EEG sei nur für die Zeit des Einstiegs in die Energiewende gemacht worden, verbreiten sie die Unwahrheit. Wie können sich Ministerien zu dieser Frage überhaupt äußern? Das EEG wurde – gegen das damals zuständige Wirtschaftsministerium – von Abgeordneten geschrieben und beschlossen, darunter Hermann Scheer (SPD) und Hans-Josef Fell (Grüne). Beide haben immer klargemacht, dass das EEG auf der Grundlage des Kernprinzips der Investitionsautonomie weiterentwickelt werden muss. Mit Deckeln und Ausschreibungen wird dieses Kernprinzip abgeschafft und damit die soziale Kraft der dezentralen Energiewende in einen Käfig gesperrt. Mit Ausschreibungen droht ein Roll-Back zur alten Energieplanwirtschaft aus wenigen großen Energieunternehmen.
Die wichtigste wirtschaftspolitische Errungenschaft des EEG war die Schaffung eines Energiemarkts, der vielen Unternehmen, Kommunen und Bürgern Investitionen ermöglicht hat. Das Investitionsmonopol der wenigen Großkonzerne wurde damit wirkungsvoll aufgehoben. Diese Kraft der sozialen Marktwirtschaft steht mit Ausschreibungen nun auf dem Spiel – und mit ihr die gesamte Energiewende. Deshalb brauchen wir – wie von EUROSOLAR vorgeschlagen – eine Neue Energiemarktordnung, mit der die sozialen Kräfte für die dezentrale Energiewende wieder eingespannt werden statt sie in Korridore zu pressen.
Dr. Fabio Longo aus Marburg ist Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien EUROSOLAR e.V.
Erstveröffentlichung als „Meinung der Woche“ auf energiezukunft.eu
[note Gastbeiträge geben die Meinungen der Autorinnen und Autoren, nicht in jedem Fall die von Solarify wieder.]