Klimaschutz mit Wachstum vereinbaren
Wir wollen Klimaschutz mit Wachstum vereinbaren. Wir fühlen uns in der Europäischen Union auch dazu verpflichtet, einen Beitrag zu weltweiten Innovationen zu leisten. Denn wir, die Industrieländer, haben über viele Jahre zur Klimaerwärmung stark beigetragen und haben jetzt die Pflicht, mit Innovationen denen, die noch Entwicklung vor sich haben, deutlich zu machen, was effizientere Technologien sind. Das ist ein Akt der Gerechtigkeit und entspricht den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, die wir in der Einen Welt haben.
Wir dürfen das Ziel nicht aus dem Auge verlieren. Wir werden in Paris erleben – auch das kann man schon absehen –, dass es noch mehr Engagement als heute brauchen wird, um dem Zwei-Grad-Ziel wirklich gerecht zu werden. Damit wir das Ziel nicht aus den Augen verlieren, brauchen wir eine langfristige Vision, die uns Orientierung, aber auch Ansporn gibt.
Dekarbonisierung
Die Wissenschaft gibt uns eine klare Handlungsempfehlung. Wir müssen in diesem Jahrhundert, im 21. Jahrhundert, die Dekarbonisierung schaffen – also den vollständigen Umstieg auf kohlenstofffreies Wirtschaften. Für diese Vision treten Deutschland und Frankreich gemeinsam ein und werben dafür auch bei unseren Partnern. Das Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC, fordert als Etappenziel auf dem Weg dorthin, bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 40 bis 70 Prozent gegenüber 2010 zu verringern.
Jetzt brauchen wir ein konkretes Ziel, das klare Orientierung bietet. Wir sprechen uns mit Blick auf die Konferenz in Paris für mindestens 60 Prozent Reduktion gegenüber 2010 als globales Langfristziel aus. Das würde einer globalen Minderung um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 entsprechen. Das ist zweifellos sehr ehrgeizig. Mit vereinten Kräften könnte man es aber schaffen. Wir brauchen auch einen Mechanismus, um überprüfen zu können, ob unsere Maßnahmen wirklich ausreichen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu beschränken. Deshalb wird es sehr wichtig sein, uns über diesen Mechanismus möglichst präzise zu verständigen.
Es wird entscheidend sein, dass wir weltweit Investitionen in klimafreundliche Bahnen lenken – das heißt nicht, auf Wachstum zu verzichten, sondern es anders als bisher zu generieren. Die Globale Kommission für Wirtschaft und Klima hat in ihrer Studie „Better Growth, Better Climate“ deutlich gemacht, dass hierfür die nächsten 15 Jahre entscheidend sind. Hinter diesem Ziel stehen wirklich namhafte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die sich unter dem Vorsitz des ehemaligen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón zusammengefunden haben. Sie glauben, dass die globale Wirtschaft in den nächsten 15 Jahren um mehr als die Hälfte wachsen wird. Sie rechnen mit einer Milliarde mehr Menschen in den Städten. Sie gehen von einem rapiden technologischen Fortschritt aus, der unser Leben weiter verändern wird. Dieser Wandel wird von hohen Investitionen in Infrastrukturen, Energiesysteme, Städtebau und Bodennutzung begleitet werden. Die Studie spricht von 90 Billionen US-Dollar. Wenn es uns gelingt, dass diese neuen Investitionen in emissionsarme Projekte fließen, dann dient das der Wohlstandssicherung genauso wie dem Klimaschutz. Beides kann Hand in Hand gehen.
Anreize richtig setzen – Emissionshandel richtige Antwort
Jetzt kommt es darauf an, die Anreize richtig zu setzen. Dabei glauben wir, dass die Bepreisung von Kohlenstoff etwa durch Emissionshandel eine richtige Antwort ist. Die Weltbank hat im vergangenen Jahr die Initiative „Putting a Price on Carbon“ gestartet und baut diese Initiative weiter aus. Sie fördert damit eine stärkere Zusammenarbeit von Regierungen, Unternehmen und anderen Akteuren, um geeignete Maßnahmen voranzutreiben. Bereits in 40 Staaten und mehr als 20 subnationalen Rechtssystemen hat der Ausstoß von Kohlenstoff einen Preis. Das betrifft immerhin schon 22 Prozent der globalen Emissionen. Weitere Länder werden folgen. Zum Beispiel hat China bekanntgegeben, 2016 ein nationales Emissionshandelssystem einzuführen. Es wird das bisher größte System der Europäischen Union übertreffen.
Wir haben in der Europäischen Union bereits einige Erfahrungen im Emissionshandel gewonnen. Es hat sich gezeigt, dass nun dringend Reformen vorzunehmen sind. Denn wir haben gesehen, dass zum einen geringes Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren zu hohen Überschüssen an Zertifikaten geführt hat. Zum anderen haben sich zahlreiche Gutschriften aus internationalen Projekten angesammelt. Beides hat zu einem Preisverfall der Zertifikate geführt. Deshalb bauen wir jetzt eine Marktstabilitätsreserve auf und entziehen dem Markt Zertifikate. Das wird im Emissionshandel starken Mengen- und Preisschwankungen vorbeugen und damit mehr Planungssicherheit bieten. Ich bin sehr zufrieden, dass diese Marktstabilitätsreserve nicht erst nach 2020 in Kraft treten wird, sondern schon davor.
Folgt: EU-Richtlinie an 40-Prozent-Ziel zur Treibhausgas-Minderung anpassen