Elektromobilität zu Wasser
Siemens hat zusammen mit der norwegischen Werft Fjellstrand die Technologie für die erste elektrisch angetriebene Autofähre der Welt entwickelt. Das Elektroschiff ist im Frühjahr 2015 in Dienst gestellt worden und stößt keinerlei Kohlendioxid aus – auch dank des Strommixes in Norwegen.
Lautlos wie ein Krokodil schiebt sich der weiße Koloss ans Ufer. Sein meterlanges Maul öffnet sich. Motorengeräusch durchbricht plötzlich die Stille, und aus dem Schlund des schwimmenden Giganten ergießt sich ein Strom aus Lastwagen und Menschen. Odd Moen lächelt zufrieden. Nach Jahren der Tüftelei und unzähligen Laborversuchen ist die Vision des Siemens-Ingenieurs Realität geworden: eine Fähre, die flüsterleise und emissionsfrei ihre Bahnen durch Norwegens Fjorde zieht, angetrieben ausschließlich von Elektromotoren – die erste und einzige ihrer Art auf der Welt.
Seit 100 Jahren: Strom-U-Boote
„Schon seit über 100 Jahren gibt es batteriebetriebene U-Boote, die rein elektrisch fahren“, sagt Moen, der sich bei Siemens Norwegen um den Vertrieb von Schiffslösungen kümmert. „Da haben wir uns gefragt: Warum kann man dieses Antriebskonzept nicht an die Oberfläche bringen?“ Bereits 1999 haben die Experten erstmals versucht, ihre Idee zu verwirklichen. Doch damals, so Moen, war die Technik für den Markt wohl noch zu neu. Das hat sich mittlerweile geändert, zudem spielt die Umweltbilanz eine immer größere Rolle. Genau dies war auch ausschlaggebend für das norwegische Verkehrsministerium, dem alle Schifffahrtswege des Landes unterstehen.
Vor fünf Jahren hatte die Behörde einen Wettbewerb zur Entwicklung der umweltfreundlichsten Fähre ausgeschrieben. Der Preis: Die Konzession für die Fährverbindung zwischen den Dörfern Lavik und Oppedal im Sognefjord. Bislang verkehren dort noch herkömmliche dieselbetriebene Schiffe, die Lizenz für den Betrieb läuft allerdings im Jahr 2015 aus. Danach, so der Plan des Ministeriums, sollen möglichst wenig Lärm und Schadstoffe die Idylle stören.
„Wir haben uns mit der Werft Fjellstrand und dem Fährenbetreiber Norled zusammengesetzt und die alte Idee weiterentwickelt“, erzählt Moen. „Dabei haben wir unsere Kompetenzen gebündelt – das Know-how von Fjellstrand im energieeffizienten Schiffbau und unsere Expertise bei den Antrieben.“ Herausgekommen ist ein ausgeklügeltes Konzept, das weltweit einzigartig ist und die Konkurrenz in punkto Umweltfreundlichkeit auf die Plätze verwies. „Das hat die Behörden letztlich überzeugt“, sagt Moen.
Reichweite bleibt Problem
Das Ergebnis der Tüftelei ist eine vollelektrische Fähre, die 34mal pro Tag über den Fjord stromert. Für die sechs Kilometer lange Strecke braucht die „Ampere“ rund 20 Minuten. Angetrieben wird das 80 Meter lange Schiff von zwei Elektromotoren mit je 450 Kilowatt Leistung, die ihre Energie aus Lithium-Ionen-Akkus saugen. Die Kapazität der Batterien von insgesamt 1.000 kWh ist für ein paar Trips zwischen den beiden Fjordgemeinden völlig ausreichend – würde die Reise allerdings weiter gehen, ist schnell „Schicht im Schacht“. Das Reichweiten-Problem haben die Ingenieure mit einem einfachen Kniff gelöst. „Zwischen jeder Fährfahrt werden die Schiffsbatterien im Hafen wieder geladen“, erklärt Moen. Dafür bleiben aber nur zehn Minuten Zeit, während die Passagiere und Autos von Bord gehen.
„Wenn wir kurzzeitig so viel Energie in die Fähre pumpen, gehen in allen Häusern die Waschmaschinen aus – das wollten wir den Menschen natürlich nicht zumuten“
Das Problem: In der Region gibt es nur ein schwaches Stromnetz, das darauf ausgelegt ist, kleine Dörfer zu versorgen. „Wenn wir nun kurzzeitig so viel Energie vom Mittelspannungsnetz in die Fähre pumpen, gehen in allen Häusern die Waschmaschinen aus – das wollten wir den Menschen natürlich nicht zumuten“, so Moen. Die Siemens-Experten haben daher jeweils eine Lithium-Ionen-Batterie an der Landestelle in den beiden Häfen installieren, die als Puffer dient: Während des Stopps soll der 260-kWh-Akku die Fähre mit Strom versorgen, danach saugt er sich wieder langsam aus dem Ortsnetz voll – bis das Schiff erneut anlandet, um „vollzutanken“.
Folgt: Grüner Strommix