Macht der Kohlelobby
Sigmar Gabriels jüngster Vorstoß zu den deutschen Klimazielen sei „kaum noch als Klimapolitik erkennbar“, findet Lili Fuhr auf der Webseite der Heinrich-Böll-Stiftung. Ein Kommentar zum neuen Arbeitspapier des Wirtschaftsministeriums – mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Nun passiert es doch tatsächlich: Der ohnehin schon nur minimale Vorstoß Sigmar Gabriels, um das deutsche Klimaziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen gegenüber 1990 bis 2020 zu retten, wird soweit verwässert, dass er kaum noch als Klimapolitik erkennbar ist. Eine schöne und ausführliche Analyse des Arbeitspapiers aus dem BMWI liefern die Klimaretter.
Erstaunlich ist, wie aus einem Politikinstrument, dass eigentlich der Stilllegung der dreckigsten Braunkohlekraftwerke dienen sollte, ein Vorschlag wird, der vor allem darauf abzielt, dass es auf gar keinen Fall zu einer Stilllegung kommt. Ein solches Einknicken lässt sich nicht nur mit der Macht der Kohlelobby erklären. So etwas passiert nicht ohne Wissen und explizite Duldung im Kanzleramt. Von einer Klimakanzlerin – wie sich Merkel beim Petersberger Dialog zumindest verbal gegeben hat – ist da nichts zu spüren.
Die wichtigsten vorgeschlagenen Änderungen zum bisherigen Entwurf:
- Der Freibetrag an CO2-Emissionen wird deutlich angehoben – von bisher drei Millionen Tonnen CO2 pro Gigawatt installierter Leistung auf 3,8 Millionen Tonnen.
- Der Klimabeitrag wird an den Strompreis gekoppelt. Dazu kommentiert Jörg Staude bei den Klimarettern: “Die Bundesregierung sorgt dafür, dass spätestens im Jahr 2019, wenn der Emissionshandel dank jüngst beschlossener Änderungen möglicherweise ein wenig in Gang kommt, dessen Effekt auf die heimischen Kohlekraftwerke abgemildert wird. Oder ganz wegfällt. Denn es seien auch Umstände möglich, bei denen ab einer bestimmten Höhe von Strom- und Zertifikatspreis der Klimabeitrag bei Null liegen kann, wie unverblümt angemerkt wird.“
- Zur dritten Änderung, nämlich “Detailregelungen”, die dafür sorgen sollen, “dass der Klimabeitrag auch in atypischen Konstellationen nicht zu Stilllegungen führt” sagt Jörg Staude: “Hier hat der Wahnsinn langsam Methode: Braunkohle über eine so weite Entfernung zu transportieren ist schon von der Energiebilanz her eigentlich ein Verlustgeschäft. Das soll aber politisch weiter ermöglicht werden.”
- Viertens sollen 1 bis 2 GW Braunkohle ggf. in die Kapazitätsreserve aufgenommen werden.
Das Ergebnis: Der Klimabeitrag soll nicht mehr 22 Mio. t CO2 einsparen, sondern nur noch 16 Mio. Die Differenz soll bei der Kraftwärmekopplung und im Verkehrssektor (u.a. durch die Einführung von “E-Highways”) eingespart werden.
Da stellen sich eine ganze Menge Fragen. Hier nur eine kleine Auswahl:
- Warum sind Herrn Gabriel diese zusätzlichen Einspareffekte in den anderen Sektoren bisher noch nicht eingefallen?
- Warum sollten wir uns bei einem so wichtigen politischen Ziel auf ein so unsicheres Instrument wie den Emissionshandel verlassen?
- Warum ist die Nicht-Stilllegung von Klimakillern ein explizites politisches Ziel?
Hier ist der Kommentar des grünen Bundestagsabegordneten Oliver Krischer sehr passend: Es scheine nur noch eine Frage der Zeit zu sein, so Krischer ironisch, bis Schwarz-Rot auch noch CO2-Einsparungen von Spielzeug-Elektro-Rennbahnen anrechnen wolle, damit Kohlekraftwerke weiterlaufen können. Am Ende seien für Merkel und Gabriel die Interessen von RWE und Vattenfall mit ihren Uralt-Kohleblöcken wichtiger als Klimaschutz.
->Quelle: boell.de