Merkel vor RNE – Jahr der Nachhaltigkeit?

Dank an RNE

Insgesamt kann sich unser Engagement für mehr Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich – so glaube ich – sehen lassen. Wir haben mit dem Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung ein hochrangiges, regelmäßig tagendes Steuerungsgremium. Jeder gesetzliche Vorschlag wird bei uns danach abgeklopft, ob er aller Voraussicht nach den Ansprüchen der Nachhaltigkeit gerecht wird. Der Bundestag hat den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung etabliert. Und wir haben den Rat für nachhaltige Entwicklung, der ein wichtiger Berater der Politik ist, weit in die Gesellschaft hinein wirkt und das öffentliche Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen fördert. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und allen Mitgliedern des Rates Dank sagen – auch für immer wieder neue Initiativen. Einige hat Frau Thieme genannt. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit. Wir wissen, manchmal sind Sie unbequem, aber wir fühlen uns immer bereichert durch Ihre Ratschläge.

Hubert Weinzierl hat schon vor Jahren davon gesprochen, dass Nachhaltigkeit ein Markenzeichen Deutschlands werden könnte. An diesem Vorsatz arbeitet der Nachhaltigkeitsrat auf verschiedene Weise. Zum Beispiel sind die „Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit“ etwas, das hier zu erwähnen ist. Dass diese Aktionstage in diesem Jahr erstmals Teil einer europaweiten Initiative – der „Europäischen Nachhaltigkeitswoche“ – sind, ist auch eine Neuentwicklung. Auf Vorschlag von Frankreich, Österreich und Deutschland finden sie statt – natürlich auch mit tatkräftiger Unterstützung der Ratsmitglieder. In fast allen EU-Staaten finden mindestens 3.000 Veranstaltungen statt. Das ist, wie ich finde, Mut machend und zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit in ganz Europa angekommen ist und dass wir viele Akteure haben, die sich einbringen wollen, um eine nachhaltige Entwicklung voranzubringen. Aber ich sage das nicht, um etwa die Aufgabe des Staates kleinzureden. Der Staat bleibt gefordert, aber genauso sind die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft, die Privatwirtschaft hoch willkommen. Nur gemeinsam werden wir das schaffen.

Wenn ich mich einmal der Wirtschaft zuwende, so will ich noch einmal darauf hinweisen, dass viele Unternehmen mit ihren Produkten und Prozessen gute Beispiele für mehr Nachhaltigkeit liefern. Das zeigt sich auch Jahr für Jahr bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, bei der wir wegweisende Ideen in die Praxis umgesetzt sehen und vorbildliche Initiativen auszeichnen können. 2015 wird mit dem „Next Economy Award“ erstmals eine besondere Auszeichnung für Startups erfolgen, die mit neuen Ideen für soziale und ökologische Verbesserungen überzeugen können.

Ich werbe auch immer wieder für den Nachhaltigkeitskodex. Frau Thieme hat ihn auch erwähnt. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat ihn zusammen mit der Wirtschaft entwickelt. Mehr als 80 Unternehmen haben bislang Entsprechenserklärungen abgegeben. Ich glaube, es könnten noch ein paar mehr werden. Ich will das nicht kleinreden, aber ich sollte – das nehme ich als Anregung von hier mit – bei meinen Unternehmensbesuchen eigentlich auch immer mal die Frage stellen, wie es denn um den Nachhaltigkeitskodex im jeweiligen Unternehmen steht. Vielleicht spüre ich auch noch neue Anwender des Kodex auf.

Transparenz

Mir geht es um Transparenz. Wir müssen transparenter machen, woher Produkte kommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden. Das ist im Übrigen auch ein Thema, dessen wir uns in der G7-Agenda angenommen haben. Nehmen wir die Textilherstellung als Beispiel. Baumwollanbau ist oft noch Kinderarbeit. Von Mindestlöhnen, wie wir sie in Deutschland haben, können viele auf der Welt nur träumen. Es gibt einen oft unsachgemäßen und übermäßigen Einsatz von Pestiziden. Deshalb unterstütze ich sehr das „Bündnis für nachhaltige Textilien“, das auf Initiative von Bundesminister Gerd Müller im Oktober 2014 ins Leben gerufen wurde. Der Anfang war zwar schleppend, aber inzwischen sind über 70 Organisationen und Unternehmen dabei und setzen sich für mehr Transparenz vor allem in den Produktionsbedingungen ein. Ich vermute, auch Kunden können das vorantreiben, indem sie als Käufer immer wieder Transparenz einfordern.

Für mehr Transparenz über Produktionsbedingungen und Inhaltsstoffe können auch Produktsiegel sorgen. Es kann aber auch sein, dass man vor lauter verschiedenen Siegeln eher desorientiert ist. Nun hat die Bundesregierung das Internetportal „Siegelklarheit“ eingerichtet, um der Frage nachzugehen, was welches Siegel bedeutet. Man kann dort Informationen finden, welche Standards für welche Siegel erfüllt sein müssen und wie gut dies jeweils überprüft wird. Das hilft Verbrauchern wenigstens ein bisschen einzuschätzen, was welches Siegel bedeutet.

Meine Damen und Herren, ich könnte über unsere G7-Agenda jetzt noch eine ganze Menge erzählen. Das will ich nicht tun, mir aber noch Hinweise zu einem Thema erlauben, auch wenn es nicht direkt, aber zumindest indirekt mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Ein Schwerpunkt in unserer G7-Arbeit ist das Thema Gesundheit. Ohne hinreichende Gesundheitsversorgung kann auch das Streben nach Nachhaltigkeit nicht erfolgreich sein.

Ich war kürzlich bei der Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation und habe dort mit Verantwortlichen auch darüber gesprochen, was wir aus den Erfahrungen der Ebola-Epidemie lernen können. Das wird auch ein Thema auf dem G7-Gipfel sein. Was wir als Reaktion auf Ebola gesehen haben, war alles andere als schnell genug und war alles andere als genügend koordiniert zwischen den internationalen Organisationen und den nationalen Anstrengungen. Deshalb gibt es die Initiative „Lessons learned from Ebola“, die der ghanaische Präsident, die norwegische Ministerpräsidentin und ich in Form eines UN-Panels auf den Weg gebracht haben, das bis zum Jahresende einen Ergebnisbericht vorlegen soll. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat diese Initiative aufgenommen. Wir wollen zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation und auch mit der Weltbank so etwas entwickeln, was wir eigentlich aus den Nationalstaaten schon kennen, nämlich eine Eingreiffazilität, eine Eingreifmöglichkeit, sodass, wenn es zu Pandemien kommt, die internationale Gemeinschaft koordiniert handeln kann und jeder weiß, was er zu tun hat – sei es beim Einsatz von Rettungskräften, bei medizinischer Versorgung, bei Logistik und Transport. Das würde auch zeigen, dass wir wirklich verstanden haben, dass wir gemeinsam auf dieser einen Welt leben.

2015 zu einem Jahr der Nachhaltigkeit zu machen, ist keine Frage von Ebenen und Zuständigkeiten. Wir alle sind verantwortlich. Wir werden versuchen, in wenigen Tagen den G7-Gipfel zu nutzen. Wir haben im Juli die Addis-Abeba-Konferenz. Wir haben im September den UN-Gipfel in New York und dann im Dezember die Klimakonferenz in Paris. Wenn ich nächstes Jahr vielleicht wieder kommen darf, dann können wir Bilanz ziehen und darüber sprechen, was wir erreicht haben und was wir nicht erreicht haben. Viele internationale Prozesse gehen manchmal langsamer vonstatten als gedacht. Ich erinnere mich noch an meine Zeit als Umweltministerin, als wir mit dem Kyoto-Protokoll begonnen haben. Auch heute haben wir noch kein weltweit verbindliches Klimaabkommen, aber ich bin überzeugt, es lohnt sich, für dieses Ziel zu streiten. Alle, die hier im Raum sind, tun das – und dafür ein herzliches Dankeschön.

->Quelle: bundesregierung.de/merkel-nachhaltigkeit