Kommentar von Claudia Kemfert
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Für die Atomkonzerne war der 4. Juni kein guter Tag: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat die deutsche Brennelementesteuer für rechtmäßig erklärt. Diese Steuer verlangt einen Beitrag von den Atomkonzernen für den Einsatz von Kernbrennstoffen in Atomkraftwerken.
Die deutschen Atomkonzerne haben gegen sie geklagt, weil sie sie für unrechtmäßig und unzulässig halten. Sie war eingeführt worden, als die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durch die schwarz-gelbe Bundesregierung im Jahr 2010 beschlossen wurde, sozusagen als „Gegenleistung“ für die geschenkten Gewinne der Konzerne.
Prof. Dr. Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin. – Kommentare geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify.
Nachdem diese Laufzeitverlängerung nach dem Atomunfall in Japan im Jahr 2011 nicht nur zurückgenommen sondern sogar vermindert wurde – einige Atomkraftwerke mussten unmittelbar vom Netz gehen – klagten die Konzerne gegen diese Steuer. Sie hoffen darauf, dass die Steuerzahlungen, die sich im Zeitraum von 2011 bis 2016 voraussichtlich auf bis zu acht Milliarden Euro belaufen dürften, zurückerstattet werden.
Der Europäische Gerichtshof urteilte nun, dass es sich nicht, wie von den Konzernen behauptet, um eine unrechtmäßige Strom- oder Verbrauchssteuer handelt. Sie sei rechtens. Nun hoffen die Konzerne noch auf das deutsche Verfassungsgericht, vor dem sie ebenso geklagt haben. Dieses wird voraussichtlich Ende dieses Jahres entscheiden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die deutschen Richter anders als die europäischen entscheiden, ist nach dem jüngsten Urteil nicht gerade gewachsen. Den Konzernen geht es hier jedoch vor allem ums Prinzip. Obwohl sie jahrzehntelang viel Geld mit abgeschriebenen Atomkraftwerken verdient haben, wehren sie sich vehement gegen zusätzliche Belastungen seitens des Staates. Und dies, obwohl der wahre Kosten-Tsunami der Atomenergie gerade erst beginnt, auf uns zuzurollen: Die Kosten des Rückbaus aber vor allem der Endlagerung werden vermutlich viel höher sein als bisher angenommen.
In dem ehemaligen Salzbergwerk in Niedersachsen sind in der Grube Asse über 100 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll eingelagert worden, die nun vor sich hin rosten und erhebliche Schäden verursachen. Die Kosten für die mögliche Bergung werden hoch und auch von der Gesellschaft zu tragen sein. Hinzu kommen weitere Kosten für die jahrzehntelange Einlagerung von Atommüll sowie den Rückbau der Atomkraftwerke.
Die Rückstellungen der Konzerne sind vermutlich nicht mehr sicher – zu wenig haben sie sich bisher auf die neue Energie-Geschäftswelt eingelassen. Aus diesem Grund ergibt es durchaus Sinn, dass eine Atomsteuer Gelder eintreibt, die zumindest für einen kleinen Teil der noch anstehenden Kosten eingesetzt werden können. Auch wenn dies den Konzernen nicht gefällt und sie auf einen „Deal“ hoffen, zum Beispiel die Einrichtung einer Atom-Stiftung, welche die Konzerne aus der Verantwortung entlässt und man im „Gegenzug“ auf weitere Klagen verzichtet. Sollte auch das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs folgen, wäre ein solcher „Deal“ ohnehin hinfällig. Es ist sowieso zu überlegen, die Steuer nicht wie ursprünglich geplant im Jahr 2016 auslaufen zu lassen, sondern sie zu verlängern. Im Jahr 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, bis zu diesem Zeitraum sollte auch die Brennelementesteuer ihren Dienst tun.
Sicherlich wäre es zusätzlich hilfreich, rasch einen öffentlich- rechtlichen Fonds einzurichten. Denn die enormen Kosten der Endlagerung von Atommüll wird kein Konzern und auch keine schmale Atomsteuer begleichen können.
Diese Kosten wird die Gesellschaft wie immer allein tragen müssen. Mit oder ohne Steuer.
->Quelle: diw.de/15-24-3.pdf
->Erstveröffentlichung: diw.de