Forschen für die Zukunftsstadt

Urbane Landwirtschaft in Casablanca

In der Vier-Millionen-Metropole Casablanca und ihrem Umland lag das landwirtschaftliche Potenzial lange brach. Frisches Obst und Gemüse werden zumeist mehrere hundert Kilometer weit in die Stadt gebracht. In vier Pilotprojekten der Fördermaßnahme „Future Megacities“ wurde die Frage der urbanen Landwirtschaft in Zusammenhang mit anderen relevanten Sektoren erforscht.

Ein Pilotprojekt in Ouled Ahmed zeigt, wie urbane Landwirtschaft mit lokalen Innovationen die Lebensverhältnisse in informellen Siedlungen verbessern kann. Ein Schulgarten entstand, in dem die Kinder des Viertels Pflanzen und deren Pflege kennenlernen und ökologische Grundlagen erklärt bekommen. Das benötigte Wasser stammt aus dem Hamam von der anderen Straßenseite. Nun erhitzt eine Solaranlage das Badewasser, und das Abwasser fließt durch eine Pflanzenkläranlage in den Schulgarten. Um es so weit wie nötig zu reinigen, wird es durch ein neu ange- legtes künstliches Feuchtbiotop mit Kieselfilter geleitet. Die Phosphatrückstände aus Seife und Shampoo dienen als kostenloser Dünger. „Das Projekt ist inzwischen nicht nur zum sozialen Treffpunkt in Ouled Ahmed avanciert, sondern zeigt auch Experten und Entscheidungsträgern, was sich mit einfachsten Mitteln bewerkstelligen lässt“, berichtet Projektkoordinatorin Prof. Undine Giseke von der TU Berlin.

Neben der Grundschule gibt es inzwischen die „ferme solidaire“. In diesem 1.600 m² großen Gemeinschaftsgarten wachsen Gurken, Tomaten und Kohl, Zitronenmelisse, Minze und Koriander. So entstand eine grüne Oase mitten in der Stadt, die inzwischen acht Familien mit frischem Gemüse und Küchenkräutern versorgt und ihnen sogar ein kleines Einkommen sichert. Bis zu 400 Hamams sollen in den kommenden Jahren im Stadtgebiet von Casablanca und der Peripherie entsprechend umgerüstet werden.

Dies ist nur ein großer Erfolg des Projekts, das vom BMBF in den Jahren zwischen 2008 und 2014 mit insgesamt 6,4 Millionen Euro gefördert wurde. Daneben sorgten die marokkanischen und deutschen Wissenschaftler mit den Partnern vor Ort für eine stärkere Nutzung von Industrieabwässern in einem Areal in der Nähe des Flughafens, etablierten ein erstes Konzept für Biolandbau mit lokalem Tourismus und gründeten ein Biolabel für nachhaltige landwirtschaftliche Produkte. Insgesamt ist das Forschungsprojekt damit ein Paradebeispiel dafür, wie sich Leuchtturmprojekte aufsetzen lassen, die auch nach Abschluss der Fördermaßnahme nachhaltig wirken.

Stadtmanagement in Kigali

Kigali, die Hauptstadt Ruandas mit derzeit rund 1,1 Millionen Einwohnern, soll in den kommenden Jahren nach Willen der Regierung um 4,5 Prozent pro Jahr wachsen. Bislang folgt die Entwicklung der Stadt jedoch kaum planerischen Vorgaben. Viele Viertel, darunter auch bessere Wohngebiete, sind „informell“ entstanden, also ohne entsprechende Beteiligung der Verwaltung. Und dort wo die Stadt selbst aktiv wird, liegt den Baumaßnahmen oft genug keine tiefgreifende Analyse zugrunde. Bauen „auf Basis von Nicht-Daten“ nennen das die Forscher.

Daher erheben die rund 35 deutschen Wissenschaftler und ihre 15 ruandischen Kollegen derzeit die erforderlichen Daten. Sie gehen mit Messgeräten und eigens entwickelten Apps durch die Straßen, vermessen Häuser und befragen Bewohner: In welchen Gebäuden leben die Menschen in den unterschiedlichen Vierteln? Wieviel Wasser und Energie verbraucht jeder Einwohner, wie viel Abwasser und Abfall produziert er? Welcher Abfall entsteht überhaupt? Erst dann ist beispielsweise klar, wo welche Wertstoffe anfallen, die es zu sammeln lohnt. Die Wissenschaftler wollen auf dieser Basis Methoden für die Ver- und Entsorgung entwickeln: Aufzeigen, wo sich eine Biogasanlage tatsächlich lohnen würde, weil organischer Abfall in der Nähe entsteht, die Energie gebraucht wird und auch der Restschlamm noch genutzt werden kann.

So sollen Anlagen vermieden werden, die zwar mit hehren Zielvorstellungen gebaut wurden, die aber nicht nachhaltig betrieben werden können. Gleichzeitig soll ein sogenanntes „entry project“ schnelle Ergebnisse liefern. Wie kann beispielsweise die Hygiene in Stadtvierteln ohne Kanalanschluss verbessert werden? Wie lassen sich Spitzen im Energieverbrauch durch Installationen vor Ort auffangen? Um die nötige Unterstützung der Menschen dafür zu gewinnen, schickt die Stadt Mitarbeiter in die Viertel, die ihre Probleme und Wünsche aufnehmen. Genau dieser partizipative Charakter ist ein Aspekt, den sich auch Frankfurt am Main von Kigali abschauen könnte. Denn darum geht es bei „Rapid Planning“: Am Ende sollen sich die Städte untereinander austauschen und von den Erkenntnissen der Partner profitieren.

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