Zu viele befristete Stellen demotivieren und locken keine Spitzen an
Eine der Hauptschwierigkeiten sei es, zu erreichen, dass die Länder bei ausschließlichen Spitzenforschungs-Projekten mitzögen. Sie freue sich, dass die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses beschlossen sei. Gleichzeitig beobachte sie „Verwerfungen durch viel neues Geld im System, einen enormen Anstieg an befristeten Stellen, da ist die Balance nicht mehr in Ordnung, das demotiviert“. Hier brauche es einen Strukturwandel, denn die Entscheidung, ob eine befristete Stelle in eine unbefristete umgewandelt werde, falle relativ spät. Das Tenure Track-Modell könne diesen Strukturwandel erreichen. „Keiner kommt aus den USA zurück auf eine befristete Stelle.“
[note In so genannten Tenure-Track-Programmen in akademischen Laufbahnen können junge Wissenschaftler nach einer Bewährungszeit eine Lebenszeit-Anstellung erhalten – in den USA z.B. der Regel ein Aufstieg innerhalb des Professorenkollegiums vom Assistant zum Associate und dann Full Professor. Dort wird ein Professor bei seiner Erstanstellung zunächst befristet beschäftigt; er ist akademisch unabhängig, unterliegt aber einer ständigen Leistungsanforderung und -kontrolle, um eine Aussicht auf feste Anstellung (Tenure) zu erhalten. Das Tenure-Track-Verfahren entspricht der in Deutschland in den 70er Jahren im Zuge hochschulpolitischer Veränderungen entfallenen Verbeamtung auf Widerruf. Beobachter sahen den Grund in der Starre des Beamtentums und den internen Schwierigkeiten deutscher Hochschulen, mit dem Widerrufsverfahren auch einen wissenschaftlichen Leistungsfilter zu verknüpfen. Im Juli 2014 empfahl der Wissenschaftsrat, mehr entfristete Stellen im Mittelbau zu schaffen, die Zahl der Professuren von 26.000 auf 33.500 zu erhöhen und einen größeren Anteil von Tenure-Track-Professuren zu schaffen. So sollten Karrierewege an deutschen Universitäten „international nachvollziehbar“ und „transparenter“ werden. Eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes soll die Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler verbessern. Siehe: solarify.eu und tagesspiegel.de]
Wanka wies darauf hin, dass heute große Forschungs-Infrastrukturen so teuer seien, dass sie nur noch international zu gestalten seien. In einem neuen Pilotprozess entscheide der Wissenschaftsrat eben über Relevanz und Weltgeltung. Die neue Roadmap solle 2017 erste Investitionen ermöglichen. Das sei etwa so teuer wie der Berliner Flughafen am Anfang (was einen Lacher im Publikum erzeugte). Weil wir inzwischen drei Viertel in europäischer Zusammenarbeit machten, müssten wir „aufpassen, dass Ost- und Südeuropa nicht leerbluten – denn wir haben nur dann eine Chance, wenn wir europäisch auftreten“.
Zum Ende ihrer Rede erntete die Forschungsministerin großen Beifall, als sie die Skepsis vieler Menschen vor neuen technischen Entwicklungen und deren Folgen ansprach: Es dürfe nicht hingenommen werden, dass Wissenschaftler ein wichtiges Thema aufgäben, weil sie angefeindet würden, und sei es aus vermeintlich ethischen Motiven. Das sei „das Ende der wissenschaftlichen Freiheit“.
[note „Vom Privatfernsehen ausgestrahlte, teils manipulierten Bilder aus der Tierhaltung des MPI für biologische Kybernetik in Tübingen haben zu einer Flut an Drohmails, Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen geführt. Der Direktor Nikos Logothetis hat sich dieser Hasswelle nicht weiter aussetzen wollen und daher entschieden, zukünftig nicht mehr an Primaten zu forschen. Wir bedauern das außerordentlich. Seine Entscheidung hat aber erstmals auch eine Solidaritätswelle von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt ausgelöst. Die Max-Planck-Gesellschaft wird ungeachtet dieser Entscheidung auch in Zukunft auf Tierversuche und Versuche mit Primaten setzen, dort, wo es wissenschaftlich geboten erscheint.“ (Aus dem Jahresbericht der MPG 2014)]